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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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wirst du dich vor dem Zuchtmeister niederwerfen.«
    »Jawohl, gnädiger Vater.«
    »Und nun geh.«
    Erst jetzt ließ Cale die Hände sinken und ging aus dem Zimmer.
    »Mach mir die Matte nicht schmutzig«, rief ihm der Kriegsmeister noch nach.
    Wieder allein in seinem Zimmer, schaute der Kriegsmeister auf die sich schließende Tür. Beim Geräusch des Zuschnappens wechselte seine Miene von kaum gezügeltem Zorn zu nachdenklicher Neugier.
    Draußen auf dem Gang stand Cale noch einen Augenblick in dem garstigen, bräunlichen Licht, das alle Räume der Ordensburg erfüllte, und betrachtete seine linke Hand. Die Wunde war nicht tief, da die Nieten des Züchtigungswerkzeugs so beschaffen waren, dass sie heftigen Schmerz, aber keine schweren Verletzungen zufügten. Er ballte die Hand zur Faust und drückte sie zusammen. Ihm zitterte der Kopf, und das Blut tropfte von der verletzten Hand auf den Fußboden. Ein Ausdruck tiefer Verzweiflung huschte über sein Gesicht, doch nur für einen kurzen Augenblick. Dann entfernte er sich langsam.

    Kein Zögling in der Ordensburg hätte sagen können, wie viele sie eigentlich waren. Manche behaupteten, es wären an die Zehntausend und dass sie immer mehr wurden. Sogar unter den fast Zwanzigjährigen bestand Einigkeit darüber, dass bis vor fünf Jahren die Anzahl, wie hoch sie auch sein mochte, sich konstant gehalten hatte. Seither aber stieg sie stetig. Bei den Erlösermönchen fand ein Wandel statt, das allein war schon höchst merkwürdig, denn das Festhalten am Althergebrachten war ihr Lebenselement. Die Tage, Monate und Jahre sollten sich in nichts unterscheiden. Doch der Anstieg der Novizenzahlen hatte eine Reihe von Veränderungen mit sich gebracht. In den Schlafsälen wurden Stockbetten mit zwei und drei Etagen aufgestellt. Man hatte eine gestaffelte Gottesdienstordnung erstellt, damit sich alle täglich mit der Stärkung gegen die Verdammung versehen konnten. Das Essen mussten die Jungen schichtweise einnehmen. Aber weshalb all diese Veränderungen nötig waren, das erfuhren sie nicht.
    Cale durchquerte den großen Speisesaal zur zweiten Schicht. Mit beiden Händen, die linke in ein schmutziges Tuch gewickelt, das die Wäschereihilfen weggeworfen hatten, hielt er ein hölzernes Tablett. Er kam spät, jedoch noch nicht zu spät, andernfalls wäre er geschlagen und vom Essen ausgeschlossen worden. Er steuerte auf den großen Tisch am Ende des Saales zu, wo er für gewöhnlich immer aß. Er stellte sich hinter einen etwa gleichaltrigen Jungen, der so sehr mit Essen beschäftigt war, dass er Cale gar nicht bemerkte. Erst als die anderen am Tisch die Köpfe hoben, schaute auch er auf.
    »Entschuldige, Cale«, sagte er und stopfte sich den Rest der Mahlzeit in den Mund, ehe er aufstand und den Platz auf der Bank für Cale freimachte.
    Cale setzte sich und besah sich das Abendessen. Etwas, das wie eine Wurst aussah, aber keine war, lag in einer wässrigen Soße, darüber ein Klacks gelblicher Brei, das war alles, was nach überlangem Kochen von einem nicht mehr erkennbaren Gemüse übrig geblieben war. Im Napf daneben befand sich ein gallertartiger Haferbrei, so grau, als ob er schon Tage alt wäre.
    Obwohl er hungrig war, konnte er sich im ersten Augenblick nicht dazu überwinden, den Löffel zu heben. Dann setzte sich jemand neben ihn auf die Bank. Cale wandte sich nicht um, begann aber zu essen. Nur das leise Zucken im Mundwinkel verriet, was für einen widerlichen Fraß er da vor sich hatte.
    Der Junge neben ihm redete jetzt, jedoch so leise, dass nur Cale ihn verstehen konnte. Es war nicht ratsam, während des Abendessens im Gespräch mit anderen Jungen ertappt zu werden.
    »Ich habe etwas entdeckt«, sagte der Junge ganz aufgeregt im Flüsterton.
    »Schön für dich«, erwiderte Cale kühl.
    »Etwas Wunderbares.«
    Cale zeigte überhaupt keine Regung, sondern konzentrierte sich darauf, den Haferbrei ohne Würgen hinunterzuschlucken.
    Der andere Junge legte eine Kunstpause ein.
    »Herrliches Essen, bei dem dir das Wasser im Mund zusammenläuft.«
    Cale hob kaum den Kopf, aber sein Nachbar merkte, dass er ihn endlich an der Angel hatte.
    »Warum sollte ich dir das glauben?«
    »Vague Henri war auch dabei. Wir treffen uns um sieben hinter dem Gehenkten Erlöser.«
    Damit stand der Junge auf und ging fort. Cale hob den Kopf, seine Miene verriet fast so etwas wie Sehnsucht. Die Jungen ihm gegenüber am Tisch sahen ihn verblüfft an, denn sonst trug er immer eine starre Maske zur

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