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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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gehört. Die Erfurter hatten Luther triumphal empfangen, und so war es selbst in den kleinsten Dörfern gewesen: Überall liefen die Menschen zusammen, um Luther zu sehen. Manchmal nahm die Verehrung groteske Züge an. Einmal warf sich gar eine Frau vor ihm nieder und berührte mit ihren Lippen den Saum seines Mantels, als sei er ein Wunderheiler oder der neue Messias.
    Die Erfurter betrachteten ihn als einen der Ihren, denn hier war er einst ins Kloster eingetreten, in ihrer Stadt hatte er wichtige Jahre verbracht. Professoren und Studenten waren ihm entgegengeritten, man hatte ihm sogar Asyl angeboten, aber Luther hatte abgelehnt. Der Rummel um seine Person beunruhigte ihn, wie er Jost anvertraute.
    Wieder wanderte Josts Blick unruhig nach oben zur Empore. Das Gebälk knarrte. Es kann nicht sein, dachte er, doch nicht ausgerechnet jetzt! Andererseits: Die Wirklichkeit hatte noch immer jede Schreckensvision übertroffen. Wenn die Empore einstürzte, würde die Kirche zu einem Massengrab – sie saßen hier wie eingesperrt.
    Jost bemerkte, dass er mit seinen Sorgen nicht allein war. Immer mehr Menschen schauten nach oben. So ist unser Leben, dachte er … Es ist zerbrechlich, von einem Moment auf den anderen können wir alles verlieren. Es ist uns nur nicht so bewusst wie Luther, der weiß, dass die Fahrt nach Worms eine Reise in den Tod sein kann. Nicht umsonst sprach er jeden Abend von Hus. Der Böhme hatte einen Geleitbrief des Kaisers besessen; trotzdem wurde er während des Konstanzer Konzils als Ketzer verurteilt und zusammen mit seinen Schriften verbrannt. Luther aber setzte einen Ruf des Kaisers mit einem Ruf Gottes gleich. Er sei bereit, hatte er noch am Vorabend zu Jost gesagt, sein Blut für das Evangelium zu opfern. Wolle Gott ihn schützen, so sei es ein Leichtes; das zeige das Beispiel der drei Jünglinge im Feuerofen. Wolle Gott ihn nicht schützen, so folge er Christus. Dabei beurteilte Luther die Lage durchaus pessimistisch: Man habe sicher nicht die Absicht, ihn in Worms eines Besseren zu belehren – also werde man wohl Gewalt anwenden.
    Wieder schaute Jost nach oben. Nun knackte es nicht mehr im Holz, sondern es klang, als habe jemand mit einem Prügel gegen die Balken geschlagen. Wahrscheinlich hatte die Empore noch nie so viele Menschen getragen. Jost vermutete, dass sie bei normalen Messgottesdiensten leer blieb und nur an den hohen Feiertagen als Ausweichmöglichkeit diente für jene, die unten keinen Platz fanden; aber selbst dann würden die Menschen nicht so dicht gedrängt stehen wie heute.
    Luther hatte mittlerweile Mühe, sich verständlich zu machen, denn die Unruhe unter den Zuhörern wuchs. »Christus ist der direkte Weg zu Gott. Er hat sich für uns geopfert, opfern wir uns mit ihm für Gott!«
    Die Bedrohung konnte Luther nicht entgehen, er stand direkt unter der Empore, aber er sprach einfach weiter. Das erinnerte Jost an Ostern. Auch in Wittenberg war die Kirche brechend voll gewesen, weil jeder wusste, was Luther bevorstand, denn der Herold des Kaisers befand sich unter seinen Zuhörern. Die Wittenberger hatten darauf gewartet, dass Luther in seiner Predigt auf den Ruf nach Worms einging, aber stattdessen sprach er von der Auferstehung und der Überwindung des Todes. Nur wer genau hinhörte, entdeckte Anspielungen, die sich auf seine Situation bezogen.
    Kannte er keine Angst? Jost war Soldat.
Er
kannte Angst. Er wusste, was es hieß, dem Tod ins Gesicht zu schauen. Dann hatte
jeder
Angst, aber manchen gelang es, sich nichts anmerken zu lassen, und das traf seiner Meinung nach auf Luther zu. Er wirkte stark und gefasst, seit Wochen meisterte er den Druck, der auf ihm lastete. Jost hatte während der Feldzüge in Italien ähnliche Situationen erlebt; wenn es auf Leben und Tod ging, wuchs mancher über sich hinaus, aber irgendwann kam der Tag, an dem man dafür Tribut zollte. Wenn alles vorüber war, kam die Angst zurück, schlich sich herein wie ein Dieb und raubte Schlaf und Ruhe. Vielleicht, überlegte Jost, musste man Soldat sein, um zu begreifen, was Luther durchmachte; auch wenn er nicht mit der Hellebarde und dem Schwert kämpfte – denn seine Waffe war das Wort.
    Ein erneuter Schlag im Holz, wie bei einem Gewitter! Ein Mann sprang auf und schrie um Hilfe. Seine Frau fasste ihn beim Arm, konnte ihn aber nicht zurückhalten, er riss sich los und stürzte zum nahegelegenen

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