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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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mit einem Blick zum Himmel.
    Sie hatten sich in Lahnstein mit Proviant eingedeckt. Wulf aß ein paar Scheiben Brot mit Käse und trank von einem seltsam sauer schmeckenden Apfelwein, den ihm der Kapitän aufdrängte, woraufhin es verdächtig in seinem Magen zu rumoren begann. Der Himmel hatte sich mittlerweile fast ganz mit Wolken bezogen, und der Wind blies noch kräftiger.
    Â»Holt das Segel ein!«, rief Hans seinen Leuten zu. »Es zieht uns ins tiefere Gewässer, sonst landen uns noch die Pferde im Wasser.« Er schüttelte den Kopf. »So ein verrücktes Wetter!«
    Die Wolken, vorher weiß, hatten die Farbe gewechselt in ein helles, manchmal dunkleres Grau. Etwa auf der Höhe von Boppard bemerkte Wulf Anzeichen von Unruhe bei den Schiffsleuten, auch die Pferde zeigten eine gewisse Reizbarkeit. Ab und an kam ihnen ein Schiff, das stromabwärts fuhr, entgegen, manche tief im Wasser liegend, andere ohne Ladung in der Mitte des Flusses unterwegs. Ein ganzes Stück voraus fuhr ebenfalls ein von Pferden gezogenes Schiff, ein weiteres folgte hinter ihnen. Wulf staunte, wie häufig sie an Zollstationen Halt machen und Wegesteuer entrichten mussten. Jeder Lokalfürst, jede freie Stadt wollte von der bedeutendsten Wasserstraße im Reich profitieren.
    Â»Wenn das so weitergeht, erreichen wir lange vor Einbruch der Dunkelheit die Loreley«, sagte Kapitän Hans, der es sich im Heck bequem gemacht hatte und den Wolken zuschaute. Dann aber, schon am Nachmittag, wehte der Wind noch heftiger und das Schiff schaukelte auf den Wellen.
    Wulf wurde übel, er wollte sich aber keine Blöße geben und bot alle Willenskraft auf, um sich nicht übergeben zu müssen. Zum Glück waren die anderen damit beschäftigt, ihr Gefährt in Ufernähe auf Kurs zu halten – so verging die Zeit, und es gelang Wulf, seinen Zustand einigermaßen stabil zu halten. Sie waren kurz vor der Loreley, bald hatte er es überstanden. Wenn er so aussah, wie er sich fühlte, musste sein Gesicht ganz grün oder gelb sein.
    Wulf schaute nach oben – und erstarrte. Der Himmel hatte schon vorher erneut sein Aussehen verändert, sodass die geschlossene Wolkendecke aus einem Gemisch dunkelgrauer und dunkelblauer Farbtöne bestand. Man musste damit rechnen, dass es bald kräftig regnen würde, aber der Kapitän wollte die Fahrt fortsetzen. »Wir sind nur ein paar Meter vom Ufer entfernt«, sagte er. »Wenn es nötig wird, legen wir an. Aber wir sind fast am Ziel, ich rieche schon das gute Essen, das uns meine Johanna bereiten wird.« Es gab Wulf allerdings zu denken, dass man schon seit einiger Zeit keine anderen Schiffe mehr sah. Als er die Augen zum Himmel hob, bemerkte er über einem der Hügel, dessen Bäume sich mit zartgrünem Laub bedeckten, eine Wolke – oder was immer das sein mochte. Das seltsame Gebilde hatte entfernt die Form einer Feder, war lang gestreckt, mit einer seitlich abbiegenden Spitze und tiefschwarz. So schwarz wie die Hölle, dachte Wulf – und er sollte Recht behalten.
    Die Wolke bewegte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wulf traute seinen Augen nicht. Was er da sah, war zu unwirklich, nicht einmal in einem Alptraum hätte er sich solche Bilder vorstellen können. Sämtliche Naturgesetze schienen außer Kraft gesetzt. Auf dem Hügel knickten die Stämme der Bäume weg, ganz schnell hintereinander, als seien sie Getreidehalme. In den ersten atemlosen Momenten schien das lautlos zu geschehen, nur der Wind brauste Wulf in den Ohren. Zunächst entstand ein Loch, dann eine Schneise. Wulf konnte kaum bis drei zählen, als auf dem Hügel kein Baum mehr stand. Erst dann erreichte der Lärm das Schiff.
    Der Kapitän und seine beiden Helfer fuhren herum, als sie das Donnern der berstenden Stämme hörten; es hallte im Tal wider, um ein mehrfaches Echo verstärkt. Schlagartig wurde es Nacht. Der ganze Himmel war pechschwarz. Wulf spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Er begriff, was wirkliche Todesangst von normaler, alltäglicher Angst unterschied. So sah der Weltuntergang aus, das war die Apokalypse!
    Alles ging viel zu schnell, um Details wahrzunehmen. Plötzlich kochte das Wasser, es brodelte und schäumte in die Höhe wie bei einem Topf, der überläuft. Dann packte ein Wirbel das Schiff, riss es nach oben und die über Seile mit ihm verbundenen Pferde ebenfalls.

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