Die Lutherverschwörung
mit der Bulle – das fand er doch etwas stark von dir … sie einfach zu verbrennen! Und das Kirchengesetzbuch gleich mit dazu. Du weißt doch, wie sehr Friedrich auf Ausgleich bedacht ist.«
Luther runzelte die Stirn. »Er ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Bei ihm weißt du nie, woran du bist.«
Cranach schob das Kinn nach vorn und kratzte mit drei Fingern im gekräuselten Bart. »Nun, ich finde es nicht ganz gerecht von dir, so zu urteilen. Die Freiheit, die ihr Professoren und Theologen hier in Wittenberg genießt, verdankt ihr ihm. Er will sich in eure theologischen Streitereien nicht einmischen. Vielmehr ist er um dein persönliches Wohl besorgt.«
Der Augustiner zog die Brauen zusammen. Das Volk liebte Luther, aber Anna hielt ihn für einen Dickkopf. Ihrer Ansicht nach hatte Cranach die Wahrheit gesagt. Der Kurfürst war ein gütiger Mann. Zweimal war sie dabei gewesen, als er die Werkstatt seines Malers besuchte, um sich persönlich zu überzeugen, dass er sich in seinem neuen Hof wohlfühlte und dass es ihm an nichts fehlte.
Anna hatte eine Abneigung gegen Mönche, seit einer versucht hatte, sie in einer Kapelle zu verführen. Selbst als sie ihn zurückgewiesen hatte, war der Kerl hartnäckig geblieben und sogar handgreiflich geworden, aber Anna hatte sich zu wehren gewusst.
»Der Kurfürst ist um mein Wohl besorgt? Was soll das denn heißen? – Will er mich wegschicken?«, fragte Luther.
»Nein, Martin, du bist auf dem Holzweg. Aber du hast dir mächtige Feinde gemacht. Es ist keine Kleinigkeit, den Papst und die Kurie gegen sich zu haben. Wenn ihre Privilegien auf dem Spiel stehen, können diese Leute sehr unangenehm werden. Vor allem, wenn man ihnen ins Geschäft pfuscht … Mit dem Ablasshandel will der Papst doch den Bau der Peterskirche finanzieren. Und Albrecht von Mainz braucht das Geld, um seine Schulden bei den Fuggern zu bezahlen, ohne deren Hilfe er nie Erzbischof geworden wäre. Du hast ihnen mit deinen Thesen also in die Suppe gespuckt. Ablasshändler machen verdammt schlechte Geschäfte heutzutage.«
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht fluchen sollst – jedenfalls nicht so laut!«
»Entschuldige! Aber mit diesen Menschen ist nicht zu spaßen, Martin. Da ist schon mancher auf dem Scheiterhaufen gelandet. Friedrich befürchtet allerdings etwas anderes – und wie mir scheint, aus gutem Grund. Er ist lange im Geschäft und kennt die Intrigen und geheimen Händel der hohen Politik.«
»Du redest immer noch um den heißen Brei herum, Lucas. Ich kenne dich doch. Komm auf den Punkt!«
»Der Alte glaubt, dass man versuchen könnte, dich umzubringen!«
Anna beobachtete Luthers Gesicht. Seine Augen weiteten sich, er biss die Lippen aufeinander, sodass die Kieferknochen hervortraten.
»Wer sollte das versuchen?«
»Friedrich hat keine Namen genannt. Tatsache ist, dass du nicht nur in Rom, sondern auch im Reich Feinde hast.«
»Was bedeutet das?«, fragte Luther. »Was hat er vor?«
Es war plötzlich vollkommen still im Raum. Einer der vier Gesellen rührte immer noch sachte im Farbtopf, machte aber kein Geräusch, die beiden am Gemälde hielten zwar ihre Pinsel in der Luft, bewegten sie aber nicht.
»Er will für deine Sicherheit sorgen, du brauchst Hilfe! Du bewegst dich hier in der Stadt völlig ungeschützt, bist mit deinen theologischen Aufgaben überlastet und kannst dich nicht darum kümmern, was in deiner Umgebung passiert.«
»Du redest von mir wie von einem kleinen Kind«, sagte Luther. »Als bräuchte ich eine Amme, die mich bei der Hand nimmt und über die Straße führt.«
»Himmel, Herrgott, Martin …«
Luther hob den Zeigefinger.
»Verzeih!« Cranach senkte seine Stimme und sprach ruhiger. »Nun sei doch nicht gleich so bockig. Wir wollen dir helfen.«
»Das höre ich ständig. Jeder überhäuft mich mit klugen Ratschlägen.«
»Kurz und gut, Martin …« Cranach räusperte sich. »Du bekommst ein paar Leibwächter.«
»Ich? Leibwächter?!« Luther fasste sich mit beiden Händen an die Brust. »Das ist wohl ein Scherz?«
»Keineswegs!«
»Das lehne ich kategorisch ab!« Luther ballte die rechte Hand zur Faust und schlug sie in die flache linke. »Mein Leben ist in Gottes Hand! Ich lasse mir nicht meine Freiheit rauben.«
Cranach hob beschwichtigend beide Arme. »Du weißt, dass wir in Kursachsen keine richtige Armee haben, weil das zu kostspielig ist für unser kleines Land. Aber Friedrich hat eine Schutztruppe für besondere Aufgaben. Es gibt
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