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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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die ockerfarbenen Hügel der Toskana, von der tief stehenden, dunkle Schatten werfenden Sonne weich modelliert – und an das erhabene Gefühl, als Rom, die Ewige Stadt, endlich in der Ferne auftauchte.
    Er streifte durch die Gassen und erkundete den Palatin, zu dessen Füßen das Forum Romanum lag; den Kapitolinischen Hügel mit Blick über das Zentrum der Stadt; den nicht weit vom Kolosseum gelegenen Esquilin. Jenseits des Tibers besuchte er St. Peter, eine Kirche von unvorstellbaren Ausmaßen, an der immer noch gebaut wurde. Der Lärm machte jegliche Andacht unmöglich. In dem von Handwerkern und Arbeitern bewohnten Trastevere konnte er sich an den goldenen Fresken von Santa Maria gar nicht sattsehen. Die Pracht der römischen Kirchen, ob es sich um die Lateransbasilika handelte, um Santa Maria Maggiore oder San Pietro in Vincoli – sie sprengte sein Vorstellungsvermögen und öffnete ihm die Augen dafür, wozu der Mensch mit Gottes Hilfe fähig war. Zwei Tage lang vergaß er seinen Auftrag und suchte all die heiligen Stätten auf, warf sich der Länge nach auf den Boden und legte die letzten Meter bis zum Portal oder bis zum Altar im Staub zurück. Erst dann durchforstete er die Pilgerherbergen. Er wurde auch bald fündig, denn er hatte gehört, dass die Deutschen meistens eine Herberge bevorzugten, die nahe bei der für deutsche Pilger bestimmten Kirche lag. Und wirklich: Dort saßen Brangenberg und seine Begleiter an einer langen Tafel, in lebhafte Gespräche verwickelt mit Augustinermönchen, die als Pilger nach Rom kamen. Bierkrüge standen auf den Tischen; der Wirt brachte Brot.
    Wulf setzte sich in die Ecke, an einen winzigen freien Tisch. Während er seine dünne Suppe schlürfte und von dem warmen, dampfenden Brot aß, das so wunderbar schmeckte, hörte er einfach nur zu. Die Sonne war bereits untergegangen, und der größte Teil des Raums lag im Dunkeln. Nur auf zwei Tischen und bei der Theke brannten armselige Öllampen, deren Kraft kaum ausreichte, die Gesichter aus der Finsternis hervorzuheben. Die Wangen der Gäste waren mit Bartstoppeln übersät, die Augen wirkten matt und trüb. Alle hatten eine lange Reise und einen anstrengenden Tag hinter sich.
    Von Zeit zu Zeit hob Wulf den Kopf und beobachtete die Augustiner, ehe sein Blick weiter nach links wanderte, wo Brangenberg und seine Begleiter saßen. Er war seinem Opfer so nah wie nie zuvor. Allerdings ahnte Brangenberg nichts von der Gefahr, und so scherzte er mit einem Mönch, der gerade in einem Buch las. Der Mann neben Brangenberg war von Beruf Söldner und zusammen mit drei Kameraden – das wusste Wulf – für dessen Sicherheit verantwortlich.
    Eine junge Frau mit schweren Decken auf den Armen durchquerte den Raum. Ihr Gesicht erinnerte Wulf an seine verstorbene Mutter. Er bemerkte, dass fast alle Männer der Wirtstochter nachschauten – auch die Augustinermönche. Sie blieb einige Zeit im Nebenraum, wo der Schlafsaal lag, und als sie zurückkam, ging sie nahe an Brangenbergs Tisch vorbei. Einer der Söldner, ein Mann mit wuchtigem Schädel und grobem Körperbau, griff ihr an den Hintern; sie schrie vor Schreck auf und alle lachten – auch die Augustiner. Nur der Mönch mit dem Buch blieb ernst und schmunzelte nicht einmal.
    Die Wirtstochter – dunkelhaarig und temperamentvoll wie die meisten Frauen in diesem Land – erholte sich rasch von ihrem Schreck. Sie packte den Krug, der vor dem Söldner stand, holte aus und schüttete ihm mit einem Ruck das Bier ins Gesicht. Wie eine dunkle Welle mit weißer Gischt schlug dem Söldner das Gebräu in den Bart. Er versuchte noch auszuweichen, was ihm aber nicht gelang; fast wäre er in seiner Rückwärtsbewegung von der Bank gekippt. Alle brüllten vor Lachen, und selbst der lesende Mönch schaute kurz hoch und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Wulfs nussbraune, tief liegende Augen wanderten hellwach und unruhig hin und her. Der Söldner sprang auf. Nun, da man über ihn lachte, fand er die Situation nicht länger lustig. Er holte aus und spreizte die Finger der rechten Hand, während ihn die Wirtstochter mit ängstlich geweiteten Augen anstarrte.
    In diesem Moment packte der Söldner neben ihm, den sie vorhin Jost genannt hatten und der nach Wulfs Eindruck der Hauptmann sein musste, den Raufbold am Kragen. Er riss ihn auf die Bank zurück und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, so leise, dass Wulf sie nicht verstand. Die Worte zeigten Wirkung, denn der Mann nahm sich nun zusammen, fuhr

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