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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gehört, und habe nicht weiter darauf geachtet. Ich hatte wohl früher schon die Hütte selber aufschlagen gesehen, und hatte bemerkt, daß der Bau des Hauses aus der Erde hervor gerückt sei; aber da ich länger nicht zu der Stelle hinauf gekommen war, wußte ich nicht, wie weit die Sache jetzt sei, und kam auch ferner nicht hinauf.
    An einem Sonntage in der Kirche sah ich sie zum ersten Male, den Vater und die Tochter. Ich fahre gerne, wenn ich Zeit habe, zum Hauptgottesdienste hinaus, sonst muß ich mit dem Frühgottesdienste vorlieb nehmen, den ich im Sommer, wo ich zeitlich ausfahre, oft schon weit von meinem Hause entfernt, in einer Ortskirche anhöre. Der sehr alte Pfarrer von Sillerau, der eben, als ich aus meinem Wagen stieg, von dem Pfarrhause in die Kirche hinüber ging, sagte zu mir: »Seid ihr mit eurem neuen Nachbar herüber gefahren, Doctor?«
    »Nein, antwortete ich, ich kenne ihn noch gar nicht.«
    »So ist er allein heraus gekommen, sagte der Pfarrer; denn da steht ja schon sein Wagen, er kömmt jeden Sonntag, und da ich euch heute auch hier sehe, meinte ich, ihr seid gleich hinter einander heraus gefahren.«
    »Ich habe freilich diese Sonntage her nicht kommen können, antwortete ich, weil es zu viele Hülfsbedürftige gab, und ich war genöthigt, mein göttliches Wort bald in dieser Kirche zu suchen, bald in jener; in der Dubs, im Haslung, und einmal war ich gar schon in Pirling draußen.«
    »So ist es, so ist es, sagte der alte Pfarrer, ihr habt viel zu thun, und müsset an manchen Orten helfen. Der Kirchen giebt es ja auch andere. So sind die Kranken wieder mehr geworden?«
    »Nein, antwortete ich, sie sind um viele weniger, als in der vorigen Woche; der Frühling hilft mir, und in dieser guten Luft werden alle gesund, daß ich eine große Freude habe. Darum konnte ich ja heute mit Ruhe zu euch heraus fahren.«
    »Das ist schön, das ist schön. Nun so werdet ihr euren neuen Nachbar in der Kirche sehen. Er ist ein sehr vorzüglicher Mann, und gar nicht stolz, wenn auch alle Leute sagen, daß er sehr reich und vornehm sei. - Ich wünsche euch einen sehr gesegneten Morgen, Doctor.«
    Mit diesen Worten verbeugte sich der Pfarrer, und ging, das schneeweiße Haupt ein wenig vorgebeugt, über den schönen Rasenplatz, der vor der Kirche ist, dem kleinen Pförtlein zu, das in die Sakristei führt.
    Ich hatte ihm sehr ehrfurchtsvoll gedankt, und blieb noch ein wenig, um den Wagen des Obrists anzuschauen. Es waren braune Pferde vorgespannt, nicht mehr gar jung, aber schön gehalten, und sehr frisch. Der Wagen war wohl gebaut, und gut. Der Knecht sagte mir, daß er später ausspannen und in die Kirche gehen werde, wie es mein Thomas auch immer thut. Die Pferde stehen in dem trocknen und reinen Stalle des Wirthes gut genug. Die vielen und mancherlei Wägelchen der Bauern, die von der Ferne zur Kirche gefahren kommen, bleiben angespannt auf der Gasse, die Thiere werden angebunden, und einige Leute des Wirthes sind auch schon angewiesen, auf sie die Aufsicht zu führen.
    In der Kirche sah ich den Obrist. Ich erkannte ihn sogleich vor den andern. Er saß mit seiner Tochter vorne in dem Querstuhle. Mein Sitz ist in der Mittelreihe neben den Bewohnern des Hanges. Ich habe ihn mir erst recht spät nach dem Tode meines Vaters bestellen können. Der Obrist hatte einen schwarzen Rock von Sammet an, darauf sein weißer Bart, den er gestutzt trug, mit sanftem Scheine niederfiel. Sein Haupthaar sah ich mit Freude an: es war länger, als man es gewöhnlich trägt, war glänzend weiß und fiel sehr reinlich gekämmt gegen den Nacken zurück. Daraus sah das Angesicht mit den vielen feinen Falten und den weißen Augenwimpern heraus. Seine Tochter war auch in Sammet, aber in dunkelgrünen gekleidet. Ihre braunen Haare waren über der Stirne abgetheilt. Ich kann die bestaubten Perücken, die man aufsetzt, nicht gerne anschauen, darum gefiel es mir, daß beide so gekleidet waren.
    Als ich aus der Kirche kam, mich in meinen Wagen gesetzt hatte, und nach Hause fuhr, sah ich sie, da ich einmal umschaute, hinter mir in einiger Entfernung nachfahren. Allein, da mein Thomas auf die Vortrefflichkeit unseres Fuchses stolz ist, und wahrscheinlich wußte, daß die Braunen hinter uns liefen, holten sie uns nicht ein. Wo der Weg dann abwärts lenkt gegen Thal ob Pirling, fuhren sie seitwärts hinüber gegen das Hag, wo ihr Haus steht. Die Braunen liefen gut, wie wir es sehen konnten, sie hielten die schöne Richtung, und es flog unter

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