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Die Möwe Jonathan

Die Möwe Jonathan

Titel: Die Möwe Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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die langsame Rolle um die eigene Achse, das Rollen nach Punkten, das verkehrte Trudeln, den Abschwung und das Windrad.
    Es war Nacht geworden, als die Möwe Jonathan sich wieder bei dem Schwarm an der Küste einfand. Jonathan war schwindlig vor Müdigkeit, aber so glücklich, daß er beim Landen noch einen Looping machte. Wenn die anderen von diesem großen Durchbruch hören, werden sie vor Freude außer sich sein, dachte er Ein herrliches Leben wird jetzt beginnen. Statt der einförmigen Alltagsplage mit dem ewigen Hin und Her zwischen Küste und Fischkuttern hat unser Leben jetzt einen tieferen Sinn!
    Wir vermögen uns aus unserer Unwissenheit zu erheben, dürfen uns als höhere Wesen von Können und Intelligenz

verstehen. Wir werden frei sein! Der Höhenflug ist erlernbar! Die kommenden Jahre lockten und glühten voller Verheißung. Als er landete, hockten die Möwen bei einer Ratsversammlung beisammen, die offenbar schon lange andauerte. In der Tat, sie hatten auf etwas gewartet.
    «Möwe Jonathan, komm in die Mitte!» Der Älteste sprach die Worte sehr zeremoniell.
    In die Mitte kommen, das bedeutete entweder die größte Schande oder die größte Auszeichnung. Man ehrte so die obersten Anführer der Möwen. Natürlich, dachte Jonathan, der Schwarm heute morgen - sie haben den Großen Durchbruch mit angesehen. Aber ich brauche keine Ehrung. Ich will kein Führer werden. Ich möchte sie nur teilhaben lassen an dem, was ich entdeckt habe: möchte ihnen zeigen, welch neue Horizonte sich für uns alle eröffnen. Er trat vor.
    «Möwe Jonathan», sagte der Älteste. «In deiner Schande tritt in die Mitte vor die Augen deiner Sippe!»
    Jonathan war wie vor den Kopf geschlagen. Die Beine versagten den Dienst, die Flügel hingen schlaff, er hörte nur noch ein Dröhnen. In die Mitte treten zur Schande? Unmöglich... Der Große Durchbruch... Sie mißverstehen es... Sie irren sich, sie irren sich.
    «... wegen skrupellosen Leichtsinns», intonierte die Stimme streng, «mit dem gegen die Würde und die Traditionen der Möwensippe verstoßen wurde...»
    Zur Schande in die Mitte treten müssen, das bedeutete, daß man ihn aus der Gemeinschaft der Möwen ausstieß, ihn zu einem einsamen Dasein auf den Fernen Klippen verdammte.
    «...eines Tages, Möwe Jonathan, wirst auch du begreifen, daß sich Verantwortungslosigkeit nicht bezahlt macht. Leben, das ist das Unbekannte, das Unerkennbare. Wir wissen nur eines: Wir wurden in die Welt gesetzt, wir müssen uns ernähren und uns, so lange es nur irgend möglich ist, am Leben erhalten.»
    Keine Möwe darf je dem Urteil der Ratsversammlung widersprechen, doch Jonathan erhob die Stimme.
    «Verantwortungslosigkeit?» rief er aus: «Meine Brüder! Keiner kann mehr Verantwortungsbewußtsein beweisen als eine Möwe, die ein höheres Ziel erkennt, die dem Ruf folgt und den Sinn des Lebens findet. An die tausend Jahre sind wir nur mühselig hinter Fischabfällen her gewesen, jetzt aber hat unser Leben einen neuen Inhalt bekommen - zu lernen, zu forschen, frei zu sein! Gebt mir eine Chance, laßt mich euch zeigen, was ich gefunden habe...» Der Schwarm hockte wie aus Stein. «Die Brüderschaft ist zerbrochen», intonierten die Möwen einmütig im Chor, schlossen feierlich die Augen und wandten sich von ihm ab. So verbrachte Jonathan sein weiteres Leben in Einsamkeit und flog weit über die Fernen Klippen hinaus. Nicht die Einsamkeit bedrückte ihn. nur die Tatsache, daß die anderen Möwen die Herrlichkeit des Fliegens nicht erleben konnten, daß sie sich weigerten, die Augen aufzumachen, zu sehen.
    Täglich wurden seine Fähigkeiten vollkommener. Er lernte, im Sturzflug in Stromlinienhaltung weit genug ins Wasser einzutauchen, um die seltenen, wohlschmeckenden Fische zu erlangen, die in Schwärmen unter der Oberfläche des Ozeans dahinzogen. Er brauchte keine Fischkutter und kein altbackenes Brot mehr zum Leben. Er lernte im Flug in der Luft zu schlafen, indem er sich bei Nacht quer zum Wind stellte, der von der Küste her blies. So vermochte er zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang hundertsechzig Kilometer zurückzulegen. Mit Hilfe des gleichen inneren Richtungssinnes durchstieß er die schweren Seenebel und stieg über sie hinaus in blendend lichte Höhen auf... indes die anderen Möwen zur selben Zeit auf dem Boden hockend nichts als Nebel und Regen kannten. Er lernte, auf Hochwinden weit ins Land hinein zu schweben, um dort köstliche Insekten zu verspeisen.
    Was er sich einst

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