Die Muse des Mörders (German Edition)
trockene braune Blätter weg. Ein leichter Wind sang in den Bäumen und säuberte die Stadt nach und nach von der letzten Schwüle dieses langen, tödlichen Sommers. Madeleine lächelte Paul zu, wo immer er sein mochte, und beendete ihren Spaziergang dann allein. Die Sonne versank langsam hinter den Friedhofsmauern, ein Flugzeug donnerte über die unzähligen Gräber hinweg, dann begann es zu regnen.
Epilog
Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Dominik sich zu diesem Besuch durchgerungen hatte. Die letzten Wochen waren ruhig verlaufen. Zwar wurde intern immer noch ermittelt und unter den Wiener Polizeibeamten herrschte ein ungewohntes Misstrauen. Keinem von ihnen konnte auch nur einer der Dolchstoßmorde nachgewiesen werden und da es keine weiteren Taten gab, würde das Ende der Mordserie wohl als ungelöstes Rätsel in die Kriminalgeschichte eingehen. Dominik war das nur recht. Auch in seiner Ehe mit Hannah ging es langsam wieder bergauf. Deshalb hatte er auch umso mehr gezögert, als ihn die Nachricht erreicht hatte, dass Margaretha Brenier ihn dringend sprechen wollte. Anfangs hatte er die Einladung einfach ignoriert, aber mit der Zeit waren ihm Zweifel gekommen. Er konnte es nicht ertragen, dass Margaretha ihm etwas mitzuteilen hatte und er nicht wusste, was es war. Er musste jetzt ein für alle Mal mit ihr und der ganzen Mordgeschichte abschließen.
Von zwei Beamten ließ er sich in den kleinen Besucherraum führen. Da sich Margaretha im Gefängnis wie eine Heilige benahm, gab es bei ihr keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen und sie konnte normal, wie alle anderen Gefangenen auch, Besuch empfangen. Einzig ein Beamter wurde zu ihrer Überwachung abgestellt. Er wies Dominik an, die Gefangene nicht zu berühren und nicht gewalttätig oder beleidigend zu werden, dann überließ er ihn sich selbst.
Margaretha saß auf einem grünen Plastikstuhl an einem grauen Tisch und blickte ihm entgegen. Die dunklen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden, der ihr lang über den Rücken hing. Ihre durchdringenden Augen beobachteten jede seiner Bewegungen und ihre sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er sich ihr näherte.
»Schön, dich zu sehen«, sagte sie.
Dominik setzte sich und blickte sie an. Er hätte gedacht, dass er sich irgendwie besser fühlen würde, wenn er sie so sah. Ungeschminkt, entwürdigt und ohne die Hoffnung, in den nächsten Jahren wieder freigelassen zu werden, aber da war nichts. Kein Hass, keine Genugtuung oder Befriedigung.
»Was willst du?«
»Wie fühlst du dich nach deinem ersten Mord, Dominik? Stärker? Mächtiger?« Margaretha lehnte sich zurück und betrachtete ihn lächelnd. Noch immer lag dieser vertrauensvolle und gleichzeitig verschlagene Ausdruck in ihrem Blick, mit dem er sie kennen gelernt hatte.
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe niemanden ermordet.«
»Ich bitte dich!« Margaretha lachte. Er mochte ihr Lachen. Es war ihm von all ihren Eigenschaften am deutlichsten im Gedächtnis geblieben. Es klang hinreißend und dabei kein bisschen unecht. »Ich bitte dich, Dominik. Mir musst du doch nichts vormachen.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Ihm wurde heiß. Margarethas Gegenwart war ihm unangenehm, doch er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
»Wir können hier drinnen auch die Nachrichten verfolgen, mein Lieber. Ich habe dir diese Geschichte von Anfang an nicht abgenommen. Dieser Junge, dieser…« Margaretha sah ihn fragend an.
»Brunner. Oliver Brunner.«
»Dieser törichte kleine Junge.« Margaretha schüttelte den Kopf, wobei sich eine Haarsträhne löste und ihr ins Gesicht fiel. »Das sieht doch ein Blinder, dass dieser Junge niemandem etwas zuleide tun kann.«
»Er wurde freigesprochen.«
»Ich weiß.« Margaretha beugte sich über den Tisch zu ihm herüber und senkte ihre Stimme. »Ich weiß auch, dass der wahre Mörder nie gefunden wurde. Machen wir uns doch nichts vor. Nicht nach allem, was zwischen uns war. Ich kenne dich so gut wie sonst niemand. Du warst es. Da gibt es gar keinen Zweifel. Du konntest nicht auf dir sitzen lassen …«
Automatisch kam Dominik nun auch näher. Die Wut, die er vor einigen Minuten noch vergeblich in sich gesucht hatte, flammte nun in ihm auf.
»Wenn du auch nur ein Wort sagst …!«
Margaretha lächelte, aber diesmal wirkte es nicht mehr warm und vertraut. Sie sah nachdenklich aus und als sie weitersprach, klang sie enttäuscht.
»Du bist nicht mehr der Dominik, den ich
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