Die Mutter der Königin (German Edition)
leichtem Schritt zwischen den Hecken mit den ersten blühenden Rosen verschwindet. Sie geht ihrer Zukunft entgegen, um Anspruch auf das zu erheben, was ihr gehört, auch wenn ich immer noch nicht weiß, was die Zukunft für sie bereithält.
Ich gehe in die Destillationskammer und nehme einen kleinen Krug vom Regal, der fest mit Kork und Wachs versiegelt ist. Darin ist ein Liebestrank, den ich für Anthonys Hochzeitsnacht bereitet habe. Ich gehe damit in die Braukammer, gebe drei Tropfen in einen Krug unseres besten Ales, bringe den Krug in die große Halle und stelle die besten Gläser dazu. Dann warte ich still, während die Frühlingssonne durch die längs unterteilten Fenster fällt und draußen im Baum eine Amsel singt.
Lange muss ich nicht warten. Auf dem Weg kommt Elizabeth, lächelnd und heiter, und neben ihr geht der gutaussehende Junge, dem ich zum ersten Mal vor den Gemächern der Königin begegnet bin, wo er sich so höflich über meine Hand gebeugt hat. Jetzt ist er ein erwachsener Mann und König von England. Er führt sein großes Schlachtross, und hoch auf dessen Rücken sitzen meine beiden Enkelsöhne, klammern sich an den Sattel und strahlen vor Freude über das ganze Gesicht.
Ich verlasse das Fenster und öffne ihnen persönlich die Tür zur großen Halle. Ich bemerke Elizabeths Erröten und das strahlende Lächeln des jungen Königs, und ich denke an das Rad des Schicksals … kann das sein? Kann so etwas wirklich sein?
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Anmerkung der Autorin
Zum ersten Mal bin ich auf Jacquetta gestoßen, als ich die Geschichte ihrer Tochter schrieb, Elizabeth Woodville, deren außergewöhnliche heimliche Ehe mit Edward IV. unter Aufsicht ihrer Mutter geschlossen wurde. Jacquetta war eine der genannten Zeugen bei der Trauung – zusammen mit dem Priester, vermutlich zwei weiteren Personen und einem Jungen, der die Psalmen sang – und hat danach die heimlichen Hochzeitsnächte des jungen Paares arrangiert.
Doch es mag durchaus sein, dass sie viel mehr getan hat. Später beschuldigte man sie, den jungen König durch Hexenzauber in die Ehe mit ihrer Tochter gelockt zu haben. Und bei ihrem Prozess wegen Hexerei wurden Bleifiguren vorgelegt, die Edward und Elizabeth repräsentierten und mit Golddraht zusammengebunden waren.
Das reichte aus, um mein Interesse zu wecken! Mein Leben lang schon erforsche ich die Geschichte von Frauen, ihren Platz in der Gesellschaft und ihren Kampf um Macht. Je mehr ich über Jacquetta las, desto mehr wurde sie zu einem jener Charaktere, die ich besonders liebe: eine Figur, die von den traditionellen Geschichtsschreibern übersehen oder geleugnet wird, die aber die Entdeckung lohnt, wenn man die Puzzlestücke zusammenträgt.
Sie hat ein außergewöhnliches Leben geführt, das jedoch nirgendwo zusammenhängend aufgezeichnet ist. Da es keine Biographie von Jacquetta gab, habe ich einen Aufsatz über sie geschrieben und ihn zusammen mit den Arbeiten zweier Historikerkollegen – David Baldwin über Elizabeth Woodville und Mike Jones über Margaret Beaufort – veröffentlicht: The Women of the Cousins’ War: The Duchess, the Queen and the King’s Mother (Simon & Schuster, 2011). Für Leserinnen und Leser, die die geschichtlichen Hintergründe meines Romans aufspüren wollen, ist dieses Buch vielleicht von Interesse.
Jacquetta heiratete den Duke of Bedford und war damit die erste Frau in dem von England beherrschten Norden Frankreichs. Ihre zweite Ehe mit Richard Woodville ging sie aus Liebe ein. Man begegnete ihr mit Ablehnung, und sie musste eine Strafe dafür bezahlen, dass sie sich nicht an die Regel für die Verheiratung der weiblichen Verwandten des Königs hielt. Sie diente Marguerite d’Anjou als eine ihrer bevorzugten Hofdamen und war in den bewegten Jahren der Rosenkriege die meiste Zeit an ihrer Seite. Nach der Niederlage der Lancastrianer in der entsetzlichen Schlacht von Towton ergaben sich ihr Sohn Anthony und ihr Gemahl Richard dem siegreichen Edward IV. Die Familie hätte wahrscheinlich friedlich unter dem neuen Regime gelebt, wäre ihre verwitwete Tochter nicht so schön gewesen, der junge König nicht so leidenschaftlich und Jacquetta nicht mit magischen Fähigkeiten begabt.
So rückte die Familie wieder in die Verwandtschaft mit dem König auf, und Jacquetta nutzte ihren Aufstieg und wurde von neuem eine der führenden Damen am Königshof. Sie lebte lange genug, um die Ermordung ihres geliebten Gemahls und ihres Sohnes zu erleiden,
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