Die Nacht traegt dein Gesicht
brennt mir die heiße Sonne Hawaiis auf den Körper, im nächsten bin ich meine Dozentenstelle an der University of Honolulu los. Obwohl – einfach so ist etwas untertrieben. Man hat mir nahegelegt selbst zu kündigen – als hätte ich ein Verbrechen begangen. Dabei war es Hunter, der mich verführte, nicht umgekehrt.
Tja, Schicksal, dass diese Affäre nach nur drei kurzen Wochen ans Licht kam und der Direktor der Universität diese Verbindung unter Kollegen für nicht akzeptabel erachtete. Als hätte ich es mit einem Minderjährigen getrieben. Hunter war ein stattlicher Mann von Anfang fünfzig. Ein Surfertyp, groß, blond, breitschultrig und mit einem Lächeln, das so ziemlich jedes weibliche Wesen an der Uni verzauberte. Er hat zum Schluss seine Professur behalten, weil er mir in den Rücken gefallen ist. Hat behauptet, ich hätte ihm keine andere Wahl gelassen, als mit mir zu schlafen. Als wenn ich ihn in Ketten hätte legen müssen, damit er die Nacht mit mir verbrachte. Ich hätte mehr Rückgrat von ihm erwartet. Mir die gesamte Schuld in die Schuhe zu schieben, nur um seinen Job zu retten, war die Tat eines Opportunisten. Mich als Männer verschlingendes Monster darzustellen, war absurd. War ich so wenig wert, dass man mich wie einen Bauern beim Schach opfern konnte? Ich wollte es nicht glauben. Mir schießen schon wieder die Tränen in die Augen. Verflucht, das hatte ich nicht verdient. Für mich war es mehr als eine flüchtige Affäre gewesen. Dass Hunter mich seiner Karriere opferte und den Wölfen zum Fraß vorwarf, hat mich schwer getroffen. Ich wische die Tränen mit meinen Fingern weg.
Plötzlich geht mein Blick geradewegs zur offenen Tür. Dort steht ein Mann und starrt mich ungeniert an. Ich spüre seinen Blick förmlich auf meiner Haut, die sofort zu prickeln beginnt. Schnell schaue ich weg, doch zwei Sekunden später muss ich wieder hinsehen. Hat er nicht gelernt, dass es unhöflich ist, andere Menschen so schamlos mit den Augen abzutasten? Als hätte er mich hypnotisiert, bleibe ich auf der Treppe sitzen und gestatte ihm, mich in aller Ruhe mit seinen Blicken auszuziehen. Ob er das wirklich tut, kann ich nicht genau sagen, aber es fühlt sich so an. Verlegen greife ich an meinen Halsausschnitt, ziehe das T-Shirt dort etwas zusammen und bin mir dabei geradezu extrem bewusst, dass meine Brüste sich nun noch deutlicher unter dem dünnen Stoff abzeichnen.
Eine leichte Sommerbrise weht durch die offene Tür, ich fröstele und spüre, wie sich eine Gänsehaut über meine Arme zieht und sich meine Brustwarzen aufrichten. Auch das noch! Verlegen schiebe ich einen Arm vor meinen Oberkörper. Was soll der Typ nur von mir denken, wie ich auf dieser Treppe hocke und mich winde, als würde er mit seinen Händen langsam versuchen, mir das Shirt über die Schultern zu streifen. Zu allem Überfluss trägt der warme Wind auch noch seinen Duft zu mir herüber. Er riecht angenehm männlich, irgendwie nach Pampelmuse und Zedernholz. Es ist nur ein Hauch und unwillkürlich hebe ich ein wenig den Kopf und schnuppere. Bleu de Chanel kommt mir in den Sinn.
Der Unbekannte rührt sich nicht, aber er beobachtet mich genau. Er sieht düster aus, auf eine geheimnisvolle Art und Weise. Seine Haare sind kurz geschnitten, die Locken aus der Stirn gekämmt. Im Gegenlicht ist zu erkennen, dass sie schwarz sind, so wie sein Bartschatten. Seine Haut ist gebräunt, als wenn er sich oft an der frischen Luft bewegt, das hellblaue Hemd und der dunkelblaue Anzug betonen seine blauen Augen. Er trägt eine hellblaue Krawatte, die gut mit den anderen Blautönen harmoniert.
5 Farben Blau, wenn man das Parfum mitrechnet , geht es mir durch den Kopf. Ich schätze ihn auf Mitte dreißig und er ist groß, größer als Alex. Wer ist das? Der ältere Bruder von Matthew Bomer? Er wirkt wie jemand von der Security, vielleicht ist er der Bodyguard von Mr Cunningham, für den Alex arbeitet?
»Jaz, hast du meinen Ordner gesehen? Schmal, schwarz?«, schreit Alex aus dem Obergeschoss zu mir herunter.
Ich löse langsam meinen Blick von dem Fremden, er hat die Augenbrauen zusammengezogen. Mit schnellen Schritten erklimme ich die Stufen in das Obergeschoss. Ich weiß, dass der Bodyguard mir hinterherschaut und bin mir sehr bewusst, dass er von dort unten an der Haustür gerade überproportional viel nacktes Bein und knappen Slip zu sehen bekommt. Das ist mir unangenehm, obwohl es an meinem 29-jährigen Körper nichts gibt, für das ich mich
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