Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
1 JÄGER UND GEJAGTE
Antoinette schlich durch die Gasse, während unbekannte Schatten aus der Finsternis auf sie zudrängten. Auf ihrer Oberlippe standen Schweißtropfen. Sie wischte sich mit der Hand über das Gesicht, bevor die unangenehm salzige Feuchtigkeit in ihre Mundwinkel rinnen konnte.
Schweiß tröpfelte ihren Rücken hinunter. Sie zupfte sich das feuchte T-Shirt von der klebrigen Haut. Wenn sie die schwüle Luft in die Lunge sog, war es, als würde sie versuchen, durch ein warmes, nasses Laken zu atmen.
Verdammte Hitze. Warum hatte er nicht einen etwas kühleren Ort gewählt?
Aber sie kannte das Motiv. Miami mit seiner ständig wechselnden Bevölkerung war der perfekte Jagdgrund.
Während der beiden letzten Wochen hatte sie zusammen mit ihrem Bruder Nici den vampiristischen Nekrodrenier durch drei Staaten verfolgt. Die Leichenspur des Mörders hatte sie hierher geführt, und nun waren sie ihm so nahe gekommen, dass sie ihn schon fast schmecken konnte.
Ein Schrei durchbohrte die stille Dunkelheit. Antoinette ging zu Boden und legte die Hand um den Pistolengriff. Ein zweiter Schrei zerriss die Nacht, und sie entspannte sich wieder. Nur ein paar kämpfende Kater.
Andere Geräusche drangen zu ihr vor: Irgendwo rechts tröpfelte Wasser, ferne Polizeisirenen heulten, und Tiere kreischten – sowohl zweibeinige als auch vierbeinige –, aber nirgendwo gab es eine Spur von ihrem Ziel.
Als sie den Kopf drehte, bemerkte sie ein Glitzern auf dem Boden und schaute nach rechts zum zerbrochenen Fenster in der Seitenfront des alten Lagerhauses. Glas knirschte unter ihren Stiefeln, während sie darauf zuging. Sie hielt sich am Fenstersims fest und zog sich hoch.
Antoinette blieb auf dem Sims hocken, bis sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. Der Gestank aus dem Inneren traf sie mit beinahe körperlicher Wucht; das faulige Aroma war eine Mischung aus schimmeligem Papier, altem Urin und Tierkot. Doch dahinter befand sich etwas Zarteres und weitaus Verwirrenderes. Es war der Geruch von Schmerz, der Geruch des Bösen, der Geruch des Todes. Der Gestank eines nekrodrenischen Nests.
◀ ▶
Christian wartete still und geduldig. An seinem Aussichtspunkt im Gebälk des Lagerraums in etwa dreißig Fuß Höhe hatte er sie schon gehört, als sie noch nicht zu sehen gewesen war.
Sie kam durch dasselbe Fenster, das er vorhin benutzt hatte, und er atmete ihren Geruch ein, behielt ihn in sich, schmeckte ihn, genoss ihn. Den Geruch eines Menschen.
Sie hockte auf dem Fenstersims, rümpfte angeekelt die Nase und kniff die Augen zusammen, während sie in die fernsten Ecken des verlassenen Gebäudes spähte. Selbst wenn sie den Blick nach oben gerichtet hätte, wäre er vor jeder Entdeckung sicher gewesen, denn er befand sich vollkommen im Schatten. Nach wenigen Minuten sprang sie leise in den Raum, kauerte sich nieder, stützte sich dabei mit den Händen am Boden ab, hielt den Kopf schräg und lauschte.
Ihre Kleidung – von der kugelsicheren Kampfweste des Sondereinsatzkommandos bis zu den festen schwarzen Armeestiefeln – war sehr gut für eine geheime Missiongeeignet und hob ihre schlanke, athletische, aber unverkennbar weibliche Figur deutlich hervor. Sie hatte weder Parfum noch einen synthetischen Duft aufgelegt und trug nur ihren eigenen natürlichen Geruch. Ein dicker Zopf aus blassblondem Haar fiel ihr über eine Schulter; das Ende berührte den Boden, als sie sich niederkauerte. Sie war eindeutig eine Venatorin, und zwar eine sehr erfahrene, was an ihren Bewegungen zu erkennen war, obwohl er vermutete, dass sie nicht älter als fünfundzwanzig war.
Eine Pistole steckte im vorderen Holster der Kampfweste unter der linken Brust, und ein Katana-Schwert war auf ihrem Rücken befestigt; der Griff befand sich in Reichweite über ihrer rechten Schulter. Seine Neugier war angestachelt. Bei dieser Frau handelte es sich entweder um eine sehr dumme oder um eine äußerst erfahrene Jägerin alter Schule. Christian vermutete Letzteres.
Sie erhob sich und ging an der Wand entlang. Aus den Augenwinkeln nahm Christian eine verschwommene Bewegung wahr, als eine streunende Katze sanft auf dem Fenstersims landete. Das struppige Tier warf der jungen Frau einen raschen Blick zu, sprang in den Raum und rannte hinter einige Kartons, die vor der Wand aufgestapelt waren.
Das Herz der Jägerin schlug so laut und schwer wie ferner Donner. Wenn er ihr näher wäre, hätte er die Angst, die sie verströmte, schmecken
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