Die Nachzüglerin (German Edition)
schickten mir einen Scheck mit
einer hohen Summe.
"Woher hast du das Geld?" Frieda musste sich setzen.
Ich hatte zweitausend Mark auf ihren Tisch gelegt.
"Von meinen Eltern. Sie haben genug davon. Ich habe
zwar etwas riskiert, aber nie ohne doppelten Boden.
Ich habe es nicht geschafft, selber für mich zu sorgen,
deshalb musste ich die Konsequenzen ziehen. Du bist
in den letzten Monaten für mich aufgekommen. Das
Geld gehört dir."
Frieda saß wie immer kerzengerade auf ihrem gepolsterten Wohnzimmerstuhl und begann mit dem
Geld herumzuspielen. Sie ordnete sich die Geldscheine
als Fächer in die linke Hand und wedelte damit vor
ihrem Gesicht herum.
"Du hast uns betrogen. Du bist wie die anderen."
"Was meinst du damit?"
Frieda hielt ihren Arm plötzlich ruhig und sah mich
ausdruckslos an. Sie war die gespannte Gelassenheit.
Wie ein Raubtier, das sein Opfer lange genug umkreist
hat, ließ sie sich Zeit.
"Ihr wollt uns kaufen."
Mit einer leisen Handbewegung ließ sie die
Geldscheine vor meine Füße fallen. Ich bückte mich,
um sie aufzuheben.
"Frieda, ich schulde dir das Geld. Ich will es dir doch
nur zurückgeben."
"Die einzige Ausnahme warst du, Franka. Bis jetzt,
meine ich."
"Ich hatte wirklich kein Geld. Ich wollte von meinen
Eltern unabhängig sein. Ich wollte aus diesem satten
Leben raus und ich hatte es beinahe geschafft. "
Frieda lachte blechern auf: "Das Sein hat wohl dein
Bewusstsein bestimmt?"
Ich wollte weg. Ich packte meine Sachen. Sie passten
in meinen Rucksack und in eine Plastiktüte. Das erste,
was ich mir kaufen würde, war eine anständige
Reisetasche. Ich umarmte Frieda, ihre Haare flossen an
ihr herunter wie brennende Wildbäche, im Zorn
erstarrt. Ich nahm sie bei den Schultern und wollte sie
schütteln, aber sie trat einfach einen Schritt zurück.
"Es ist gut, dass du mir böse bist. Es zeigt mir, dass ich
dir etwas bedeute", tröstete ich mich.
"Bedeutet hast", verbesserte sie mich und schien
möglichst sparsam zu atmen, als lehnte sie es sogar ab,
mit mir die Luft zu teilen. Ich ging, ohne mich umzudrehen. Ich bestieg ein letztes Mal den unerhört
hohen Straßenbahnwaggon, drei Stufen á vierzig
Zentimeter und schaukelte über die Westringbrücke,
sah wie sonst die Gleisanlagen träumen, die sich fast
bis zum Dom hinzogen, der schamlos seinen Platz
behalten hatte.
Bücher von Regine Sondermann
Kunst ohne Kompromiss. Die Malerin Elfriede LohseWächtler, Verlag DIE SCHEUNE, Dresden 2006
(2.Aufl. Weißensee-Verlag, Berlin 2008 – 3.Aufl.
Mauritiusverlag, Magdeburg 2012)
Der letzte Job, Kriminalroman, Magdeburg 2009
House Story –Story House (mit Beate Schoppman),
Bilder und Texte, Mauritiusverlag, Magdeburg 2010
Editha aus Wessex – Gemahlin Ottos des Großen.
Eine Königin im Mittelalter, Mauritiusverlag,
Magdeburg 2012
ÜBER DIE AUTORIN
Regine Sondermann ist 1965 geboren.
Keines ihrer Bücher hat bisher in der literarischen
Öffentlichkeit Anerkennung gefunden. Sie wurde zu
keinem Zeitpunkt mit einem Literaturpreis geehrt und hat
auch bisher noch kein Stipendium erhalten.
Sie ist Mitglied der Dichtergruppe „Schreibkräfte“ und
Redakteurin der Zeitschrift: „Schreibkräfte. Literaturjournal
aus Sachsen-Anhalt“.
Die Schriftstellerin widmet sich der ästhetischen
Transformation von Erfahrung.
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