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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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21. Mai 2009 – New York City
    David Swisher drehte an der Rollkugel seines Blackberry, bis er die E-Mail des Finanzchefs von einem seiner Firmenkunden fand. Der Typ wollte einen Termin vereinbaren, um über eine Schuldenfinanzierung zu sprechen. Routinekram, die Art geschäftliche Angelegenheiten, die sich David stets für den Heimweg aufhob. Er tippte mit dem Daumen eine Antwort, während das Taxi im stockenden Verkehr die Park Avenue entlangfuhr.
    Ein Glockenton kündigte den Eingang einer neuen E-Mail an. Sie stammte von seiner Frau: ›Ich habe eine Überraschung für dich.‹
    Er schrieb zurück: ›Toll! Kann’s kaum erwarten.‹ Auf den Gehsteigen wimmelte es von Fußgängern, die sich an New Yorks erstem Frühlingswetter berauschten. Das sanfte Abendlicht und die warme Brise sorgten dafür, dass Schritte leichter und gestresste Mienen entspannter wurden. Männer, die ihre Sakkos am Daumen baumeln ließen und die Hemdsärmel hochgekrempelt hatten, spürten den angenehmen Windhauch an ihren bloßen Unterarmen, und Frauen in kurzen, durchscheinenden Röcken an ihren Schenkeln. Mit dem Frühling kehrte die Sinnlichkeit zurück. Hormone, die der Winter blockiert hatte wie Schiffe, die im Packeis festsitzen, entfalteten wieder ungehindert ihre Wirkung. Heute Nacht würde in der Stadt vermutlich einiges los sein. In einem der oberen Stockwerke eines Apartmenthauses ließ jemand so laut Strawinskys Le sacre du printemps auf der Stereoanlage laufen, dass die Töne aus dem offenen Fenster bis auf die Straße drangen und mit der Lärmkulisse der Stadt verschmolzen.
    David, der sich auf die kleine, leuchtende LCD-Anzeige seines Blackberry konzentrierte, nahm von alldem keine Notiz. Und wegen der getönten Seitenscheiben des Taxis nahm auch niemand Notiz von ihm, dem 36-jährigen, offensichtlich wohlhabenden Investmentbanker mit vollem Haar, der einen leichten Schurwollanzug von Barneys trug und ein finsteres Gesicht zog, weil ihm der Tag weder beruflich noch für sein Ego oder sein Bankkonto etwas gebracht hatte.
    Das Taxi hielt vor seinem Wohnhaus an der Park Avenue, Ecke 81 st Street, und erst als er die viereinhalb Meter vom Bordstein zur Tür lief, bemerkte er, wie schön das Wetter war. Genüsslich atmete er tief ein und lächelte dem Portier zu. »Wie geht’s, Peter?«
    »Bestens, Mr. Swisher. Wie ist es heute mit den Aktien gelaufen?«
    »Das übliche Hauen und Stechen.« Er ging an Peter vorbei ins Haus. »Lassen Sie Ihr Geld lieber unter der Matratze.« Ihr täglicher Scherz.
    Seine in einem der oberen Geschosse liegende 9-Zimmer-Eigentumswohnung hatte ihn knapp fünf Millionen gekostet, als er sie kurz nach dem 11. September 2001 gekauft hatte. Ein Schnäppchen. Die Märkte waren nervös, und auch die Anbieter waren nervös, obwohl das Haus ein Schmuckstück war, ein perfekt in Schuss gehaltener Altbau mit dreieinhalb Meter hohen Decken, einer Wohnküche und einem funktionierenden offenen Kamin. Und noch dazu an der Park Avenue! David kaufte mit Vorliebe, wenn der Markt am Boden war, egal welcher Markt. Die Wohnung bot weit mehr Platz, als ein kinderloses Paar benötigte, aber sie war ein Prestigeobjekt, das sämtlichen Verwandten und Bekannten anerkennende Bemerkungen entlockte, und das war jedes Mal wieder ein verdammt gutes Gefühl. Außerdem wäre das Apartment selbst bei einem Notverkauf über siebeneinhalb Millionen wert. Tja, Swish, sagte er sich selbst oft genug, da hast du mal wieder alles richtig gemacht.
    Der Briefkasten war leer. »Hey, Pete, ist meine Frau schon zu Hause?«, rief er über die Schulter.
    »Seit etwa zehn Minuten.«
    Das also war die Überraschung.
    Ihre Aktentasche lag auf dem Flurtisch auf einem Stapel Post. Lautlos schloss er die Tür. Er wollte sich auf Zehenspitzen anschleichen, ihre Brüste umfassen und sich an ihren Hintern schmiegen. Das war seine Vorstellung von Spaß. Der italienische Marmorboden jedoch machte sein Vorhaben zunichte, denn selbst das verhaltene Tapsen seiner eleganten Slipper hallte verräterisch laut wider.
    »David? Bist du das?«
    »Ja. Du bist früh daheim«, rief er. »Wie kommt’s?«
    Sie antwortete aus der Küche: »Die Anhörung wurde vorgezogen.«
    Der Hund hörte seine Stimme, kam in vollem Lauf aus dem Gästezimmer am anderen Ende des Apartments, rutschte mit seinen kleinen Pfoten über den Marmor und knallte wie ein Eishockeyspieler gegen die Wand.
    »Bloomberg!«, rief David. »Wie geht’s meinem Kleinen?« Er stellte den Aktenkoffer ab

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