Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
es sei so gewiß, als wenn ihr es schon selber gesagt hättet.«
    »Und wenn es nun nicht gewesen wäre?«
    »Es mußte ja, weil sonst alles ein Unding gewesen wäre, das nicht sein kann - ich weiß nicht, warum der Bach in die Pernitz fließen muß, aber ich weiß, daß er es muß.«
    »O, du ahnungsreiches Herz! er muß es, und er ist selig, daß er es muß. Das Ziel und Ende seiner Wanderung findet er dort - was weiter sein wird, ist ungewiß; nur Eins ist sicher,
das Beisammensein
, und dieses Eine ist Alles, ob nun gezählte Jahre fließen, oder die ungezählte Ewigkeit, ob die Körper sich berühren, ob nicht, es bleibt so - - Die Leute nennen's sonst auch Treue - - Aber siehe, der häßliche Fliederschatten deckt dir deine Stirne, und das süße Auge - neige das Haupt - so - noch ein wenig, mehr gegen mich - so -. Ich möchte den Mond dort an jenes blaue Fleckchen fest bannen, daß er immer herschiene und immer deine reine Stirne, und das rührend schöne Auge beleuchtete - -.«
    Und er nahm ihre Hand, drückte sie gegen sein pochendes Herz, gegen seine Lippen, gegen seine Augen - ihren Mund zu küssen, wagte er nicht. - Ihr Auge aber voll scheuer, unbewußter, heißer Zärtlichkeit blickte auf ihn, und sie sagte mit vor Rührung zitternder Stimme: »Da ich euch nun so schnell, und so sehr liebgewonnen, und es euch gesagt habe, da ich gar in der Nacht herausgekommen bin, weil ihr so sehr batet, so dürft ihr nun nicht falsch sein, ihr dürft es durchaus nicht.«
    »Gegen die Natur, geliebtes Herz, kann man nicht falsch sein, man ist es nur gegen Wiederfalsches - man verläßt nur
den
, der uns verließ, noch ehe er uns fand, weil er in uns nur
seine
Freude suchte. Du liebst, wie die Sonne scheint; du siehst mich an, wie sich das gränzenlose Himmelblau der Luft ergießt; du kommst, wie der Bach zum Flusse hüpft, und wandelst, wie der Falter flattert: und gegen den schönen Falter, gegen den Bach, die Luft, und gegen das goldne Sonnenlicht bin ich nie falsch gewesen, und gegen dich vermöcht' ich's nicht zu sein um alle Reiche dieser Erde - siehe, Anna, es ist so: - - aber, Anna, sage, liebst du mich denn auch wirklich so, so unaussprechlich, so über alles Maß, wie ich dich liebe? - - so sag' es doch, Anna - - nicht?!«
    Aber sie sagte nichts, nicht eine Silbe; das naturrohe Herz, das nie gelernt hatte, mit seinen Gefühlen zu spielen, und sie zu lenken, war bereits von ihrer Allmacht überwältigt, und sie konnte nichts thun, als das unsäglich gute Antlitz gegen ihn emporheben, und den Mund empfangen, der sich gegen ihren drückte - und so süß war dieser Kuß, daß sie mit der einen Hand den sich ungestüm empordrängenden Hund wegstemmte, während sie hinübergebeugt emporgehobenen Hauptes die Seligkeit von den Lippen des theuren Mannes saugte. Er hielt sie mit beiden Armen fest umschlungen, und fühlte ihren Busen an seinem klopfenden Herzen wallen.
    »Heinrich,« flüsterte sie, »ich möchte dich doch
du
nennen.«
    »So nenne, mein Herz, nenne.«
    »Und eine Bitte habe ich - - .«
    »So rede.«
    »Die Bitte, daß du nie, nie mehr auf dieser Erde ein anderes Mädchen so liebst, wie mich - - und daß ich - - ..«
    »Was, Engel, daß du ....?«
    »Nicht wahr, Heinrich, du nimmst kein anderes Weib, ich müßte mich dann recht schämen.«
    »Und ich, bei dem lebendigen Gotte, mich noch mehr. Anna, höre mich: jetzt lieben wir uns bloß, das ist leicht und süß, aber es muß mehr werden. Ich werde dich von hier fortführen; du mußt meine Gattin werden, ich dein Gatte - das ist schwer, aber unendlich süßer: immer an demselben Herzen, losgetrennt von Vater und Mutter und von der ganzen Welt, du mußt lieben, was ich liebe, du mußt theilen, was ich theile, du mußt sein, wo ich bin, ja außer mir muß dir nichts sein: ich aber werde dich ehren bis ins höchste Alter, werde dich schützen, wie den Schlag meines Herzens, werde dein Geliebtes lieben, werde außer dir nichts haben - - und wenn Eines stirbt, muß das Andere Trauer hegen bis zum Grabe. Anna, willst du das?«
    »Ja, sagt einmal, kann es denn anders sein?«
    »Freilich, wo es recht ist, kann es ja nicht anders sein; das andere ist eben keine Ehe.«
    »Und wohin werdet ihr mich denn führen? - - aber ach Gott? wie wird es denn sein können? Der Vater wird in Ewigkeit nicht einwilligen und die Mutter auch nicht. - - Ihr seid so gut, ganz lieb und gut - aber ihr thut ja nicht, wie alle andern Männer, die ein Weib nehmen. Sie haben Haus und Hof,

Weitere Kostenlose Bücher