Die Nebel von Avalon
letzten Sturmböen heftig auf und zu, während wütende Regenschauer in die Kammer peitschten.
Igraine fror. Ihr war so kalt, daß sie glaubte, sich nie mehr bewegen zu können. Sie dachte, sie würde vor dem Kamin liegenbleiben und erstarren; die Kälte ihres Körpers würde sich allmählich in den Todesschlaf verwandeln. In diesem Augenblick war ihr alles gleichgültig.
Wenn man die Grenzen des Verbotenen überschreitet, muß es eine Strafe geben. So lautet das Gesetz. Ich habe etwas Verbotenes getan und kann nicht unbeschadet daraus hervorgehen. Wenn Uther in Sicherheit ist, nehme ich die Strafe an, selbst wenn es meinen Tod bedeutet…
Und während Igraine sich zusammenkauerte und versuchte, mit dem viel zu dünnen Mantel sich zu wärmen, glaubte sie in der Tat, daß der Tod eine Gnade wäre, denn dann würde sie wenigstens die Kälte nicht mehr spüren… Aber Morgaine! Ihre Tochter schlief im Bett am Fenster. Und wenn es nicht geschlossen wurde, konnte sie sich auf den Tod erkälten… Um ihrer selbst willen hätte Igraine sich nicht von der Stelle gerührt. Aber der Gedanke an ihr Kind und an ihre unschuldige Schwester zwang sie, trotz aller Schmerzen sich zu regen, die gefühllosen Hände und Füße zu zwingen, ihr zu gehorchen. Wie eine Betrunkene torkelte sie zum Fenster und mühte sich, es mit froststarren Händen zu schließen.
Zweimal entriß der Wind ihr die Läden. Und sie hörte sich schluchzen, während sie sich mühte. Igraine spürte nichts, doch sie wußte, im Kampf mit dem Holzladen, der sich wie ein lebendiges Wesen wehrte, hatte sie sich einen Fingernagel abgerissen. Schließlich gelang es ihr, den Riegel zu fassen und den Laden mit beinahe übermenschlicher Kraft zu schließen. Als sie den Holzpflock zuschob, quetschte sie sich die blaukalten Finger am Rahmen. In der Kammer war es immer noch kalt… eiskalt! Igraine wußte, ohne wärmendes Feuer würden Morgaine und Morgause krank werden… Sie wünschte nichts sehnlicher, als zu ihnen ins Bett zu kriechen und sich an ihren jungen Körpern zu wärmen. Aber der Morgen war noch Stunden entfernt, und sie hatte das Feuer verlöschen lassen. Zitternd zog sie den Umhang fester um sich, nahm eine Feuerpfanne und ging die Stufen hinunter. Sie spürte, wie ihre eisigen Füße über die Steine stolperten.
In der Küche lagen drei Mägde zusammengerollt wie Hunde vor dem glühenden Feuer. Hier war es warm. An einem langen Haken hing ein dampfender Kessel über der Glut – die Hafersuppe für das Frühstück.
Nun, es war ihre Küche und ihre Suppe. Igraine schöpfte sich eine Schale heiße, ungesalzene Hafergrütze und trank sie langsam. Aber auch das vermochte sie nicht aufzuwärmen. Dann füllte sie die Feuerpfanne mit glühenden Kohlen, richtete den Brand, bedeckte die Feuerpfanne, wickelte ihren Rocksaum um den heißen Stiel und stieg die Treppe nach oben. Sie war schwach und zitterte. Trotz der heißen Suppe durchliefen sie solche Kälteschauer, daß sie fürchtete, zu fallen.
Ich darf nicht fallen. Denn wenn ich falle, werde ich nicht wieder aufstehen, und die Feuerpfanne wird alles in Brand setzen…
Igraine kniete sich vor die kalte Feuerstelle in ihrer Kammer und spürte, wie sie ein heftiges Zittern durchlief, das ihre Brust vor Schmerzen fast zerriß. Aber sie fror nicht mehr, jetzt glühte ihr ganzer Körper. Geduldig legte sie zunächst Holzspäne und dann dünne Äste auf die Glut; schließlich brannte auch der quergelegte Holzklotz, und die Flammen schlugen hoch. Igraine war es jetzt so heiß, daß sie den Mantel von sich warf, zum Bett stolperte, Morgaine hochhob und sich mit dem Kind im Arm niederlegte. Aber sie wußte nicht mehr, ob sie nun schlief oder starb.
Nein, sie war nicht tot. Der Tod würde ihr nicht diese qualvollen Hitze- und Kälteschauer bringen… Sie wußte, daß sie lange Zeit in dampfende Tücher gehüllt im Bett lag, daß die abgekühlten Laken weggenommen und erneuert wurden. Sie wußte, daß man ihr heiße Getränke einflößte – manchmal Übelkeit erregendes Kräutergebräu gegen Fieber und dann wieder heißer Branntwein mit Wasser vermischt.
Tage, Wochen, Jahre, Jahrhunderte vergingen, während sie so dalag, brannte, zitterte und unter den schrecklichen Getränken litt, die man ihr einflößte; und sie war so schwach, daß sie es noch nicht einmal erbrechen konnte. Einmal stand Morgause vor ihr und fragte ärgerlich: »Igraine, warum hast du mich nicht geweckt und mich gebeten, das Feuer zu richten, wenn
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