Die Pilgerin
Wenn es ein Mädchen wird, muss ich unbedingt Patin werden!«
»Vielleicht wird es auch ein Sohn, meine Liebe, dann wäre es an mir, sein Gevatter zu sein«, neckte Rudolf von Starrheim seine Gemahlin.
»Wir nehmen es, wie es kommt, nicht wahr, Sebastian?« Tilla drehte sich zu ihrem Mann um, der ein wenig schuldbewusst wirkte.
»Meinem Vater und mir wäre natürlich ein Sohn am liebsten, der sich schon bald in das Geschäft einleben und mich einmal ersetzen kann. Allerdings habe ich auch nichts gegen eine Tochter einzuwenden. Der Sohn kommt dann gewiss nach.«
Rudolf von Starrheim lächelte ein wenig über Sebastians Eifer, der trotz seines Adelstitels ein Pfeffersack geblieben war. »Wie geht es eigentlich deinem Vater?«
»Sehr gut!«, berichtete Sebastian. »Er übt das Amt des Bürgermeisters in Tremmlingen mit neuer Freude aus und wird es, so Gott will, noch lange Jahre innehaben. Ich führe unterdessen den Handel und werde von meiner guten Tilla aufs Beste unterstützt. Daher habe ich eigentlich wenig Lust, mir die Amtskette so bald umhängen zu lassen. Da soll erst unser Sohn in meine Fußstapfen hineingewachsen sein. Wer weiß, vielleicht schicke ich ihn, wenn er in das entsprechende Alter kommt, auf Pilgerfahrt nach Santiago, damit ein Mann aus ihm wird. Mein Vater sagt, bei mir hätte es jedenfalls geholfen.«
Sebastian erntete einen Lachsturm und fiel selbst in das Gelächter mit ein. Dann fragte er Starrheim, wie es ihm denn ergangen sei. »Seit der Sache in Tremmlingen haben wir nichtsmehr von dir gehört und gesehen. Doch so wie du und Blanche ausseht, muss es gut um euch stehen.«
»Wir können nicht klagen. Mein Vetter Leopold hat mich zum Landvogt in den österreichischen Vorlanden berufen und daher besuche ich diese Gegend nur selten. Doch als unser lieber Vater Thomas mir Botschaft sandte, in der er mich bat, an der Einweihung seiner neuen Wallfahrtskirche teilzunehmen, musste ich einfach kommen.«
Es klang so männlich selbstzufrieden, dass Tilla sich an Blanche wandte. »Wie steht es mit dir? Bist du glücklich?«
Die junge Französin lächelte versonnen. »Sehr! Mon cher Rudolf ist der beste Mann der Welt. Ich hoffe, ihm bald einen Erben zu gebären. Bis jetzt hat er mich geschont und nur an jenen Tagen mit mir verkehrt, an denen ich den Worten einer weisen Frau zufolge nicht schwanger werden konnte. Doch nun wird mich nichts mehr daran hindern, ihm das Weib zu sein, das er verdient.«
Das klang direkt fordernd, und Tilla, die Starrheim gut genug kannte, wusste, dass er sich Blanches Willen beugen würde. Die junge Edeldame war jetzt voll erblüht und würde ihren Gemahl im Gegensatz zu jenen viel zu jungen Mädchen, die Männern ins Bett gelegt wurden, welche ihre Großväter hätten sein können, nicht enttäuschen.
»So Gott will, wirst du viele Kinder gebären und zu selbstbewussten Menschen erziehen können«, sagte sie zu Blanche. Dabei wunderte sie sich, wie gut die Französin sich die deutsche Sprache angeeignet hatte.
Eines der Bauernmädchen bat Tilla nun Platz zu nehmen und schenkte ihr einen großen Becher Wein ein. »Wohl bekomme es Euch«, sagte die Kleine und eilte davon, um einen kräftigen Imbiss für die neu eingetroffenen Gäste zu holen.
Tilla trank einen Schluck und wandte sich ihrem einstigen Pilgerführer zu. »Was weiß man von Ambros und Anna? Ihnen geht es doch hoffentlich gut, so fern, wie sie uns jetzt sind.«
»Dies vermag Renata dir besser zu erzählen, denn erst vor kurzem hat ein Pilger einen Brief ihrer Schwester zu ihr gebracht«, antwortete Vater Thomas lächelnd.
Renata beugte sich leicht vor und nickte. »Ja, ist das nicht wunderbar? Meiner Schwester und ihrem Mann geht es dort sehr gut. Neben dem ehrwürdigen Abt von Puente la Reina sind auch andere hohe Kirchenherren in Navarra auf Ambros’ Kunstfertigkeit aufmerksam geworden und er vermag sich vor Aufträgen kaum zu retten. Da bleibt für Heimweh wenig Zeit. Und was Anna betrifft: ob ihr es glaubt oder nicht, sie hat an demselben Tag einen Sohn geboren wie ich.« Renata blickte dabei stolz auf den Säugling in ihren Armen herab, während ihre Tochter sich vertrauensvoll an Peter schmiegte.
»Papa mag mich lieber als Franzi. Er schreit zu viel, sagt er.« Damit brachte die Kleine die anderen zum Lachen.
Während sie aßen und dem Wein zusprachen, drehten sich die Gespräche um die gemeinsam erlebte Zeit, und so manche Anekdote brachte alle zum Lachen. Tilla, die sich über die
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