Die Pilgerin
tröstend über ihre Wange. »Bei deiner guten Pflege wird er sich gewiss wieder erholen und noch viele Jahre unter uns weilen. Schau nur! Seit du die schwere Last von seiner Seele genommen hast, sieht er schon besser aus. Ich bin sicher, dass er auf deiner Hochzeit den Becher heben und mir zutrinken wird. Jetzt aber muss ich euch allein lassen.«
Laux wandte sich zur Tür, drehte sich auf der Schwelle noch einmal um und griff nach dem Medizinfläschchen mit der Tinktur, die der Arzt Theriak genannt hatte. Mit einem Stirnrunzeln zog er den Stöpsel, roch an dem Gebräu und schüttelte sich angewidert. »Bei Gott, wie das stinkt! Davon soll ein Mensch gesund werden? Da halte ich die Kräutertränke, mit denen unser Stallknecht die Pferde behandelt, für bessere Heilmittel. Josef sagt immer, was den Pferden hilft, nützt auch den Menschen,und beinahe glaube ich, dass er Recht hat. Als ich mich letztens mit einer argen Kolik herumquälen musste, hat er mir einen Trunk gemischt – und du wirst es nicht glauben: die Winde gingen ab und meine Därme beruhigten sich wieder.«
Tilla blickte hoffnungsvoll zu Laux auf. »Glaubst du, Onkel Koloman, Euer Josef würde auch ein Mittel haben, das Vater helfen könnte?«
Der Bürgermeister schüttelte bedauernd den Kopf und wies auf den Kranken, von dessen Stirn der Schweiß nun in Strömen floss. »Dieses Fieber ist keine Kolik, mein Kind. Hier kann wirklich nur noch Gott helfen und vielleicht auch der heilige Jakobus. Wie es aussieht, sind sie gerade am Werk, denn mit dem Schweiß wird auch die Krankheit ausgeschwemmt. Sorge dafür, dass dein Vater genug zu trinken bekommt. Das Trinken ist das Wichtigste im Leben, sagt unser Josef, und damit meint er nicht nur das Bier, das er gerne die Kehle hinabrinnen lässt!« »Ich werde darauf achten«, versprach Tilla, die etwas Hoffnung zu schöpfen begann. Während Laux das Zimmer und kurz darauf auch das Haus verließ, ohne Otfried noch einmal zu begegnen, wischte sie ihrem Vater den Schweiß von der Stirn und sagte sich, dass es gewiss kein Schaden war, wenn sie noch an diesem Tag in die drei großen Kirchen der Stadt ginge, um für die Gesundung ihres Vaters zu beten.
II.
Als Koloman Laux die Straße betrat, löste sich ein junger Mann von der Hausecke. »Geht es Willinger wieder besser, Vater?«
Laux schüttelte traurig den Kopf. »Leider nein! Ich fürchte, erwird immer schwächer. Dabei wäre ich auf seine Hilfe und seine Stimme im Rat dringend angewiesen.«
Die Bemerkung entlockte dem Burschen ein eifriges Nicken. »Ganz bestimmt! Die Kreatur des Bayernherzogs ist wieder in der Stadt! Ich habe gesehen, wie er das Haus dieses Verräters Gürtler betreten hat.«
»Mäßige deine Stimme!«, fuhr Laux seinen jüngeren Sohn an. In seinen Augen war Sebastian viel zu unvorsichtig. Für ihn schien die heikle Situation der Stadt nur ein abenteuerliches Spiel zu sein. Dabei ging es um nichts weniger als die Freiheit von Tremmlingen, die Laux durch den Kaufherrn Veit Gürtler und dessen Freunde bedroht wusste.
»Ja, Vater!« Sebastian sah sich um und atmete auf, denn keiner der geschäftig vorbeieilenden Bürger war ihnen nahe genug gekommen, um seine Worte zu verstehen. »An deiner Stelle würde ich Gürtler aus dem Rat entfernen, am besten sogar aus der Stadt. Dann kann er uns nicht mehr gefährlich werden.«
»Wenn das in meiner Macht stünde, hätte ich es längst getan. Doch um einen der Hohen Räte seines Ranges entheben zu können, benötige ich das Votum von drei Viertel der Ratsmitglieder, und die sind schwerer unter einen Hut zu bekommen als ein Wespenschwarm. Etliche von ihnen werfen mir vor, ich wolle nur meine eigene Macht vergrößern, und bei diesen handelt es sich nicht einmal um Freunde von Gürtler.« Laux bedauerte längst, Sebastian ins Vertrauen gezogen zu haben. Im Gegensatz zu seinem älteren Sohn Damian war der Bursche noch zu unbedarft und sagte seine Meinung geradeheraus. Im Rat der Stadt zählten jedoch Diplomatie und geschickte Worte mehr als die ungeschminkte Wahrheit, vor der nicht wenige lieber die Augen verschlossen.
»Sei in Zukunft vorsichtiger und lungere vor allem nicht ständigvor Gürtlers Haus herum. Damit warnst du ihn nur und bringst ihn dazu, seine Absichten noch sorgfältiger zu verbergen.« Laux versetzte seinem Sohn einen leichten Stoß und gab ihm einen Wink, mit ihm zu kommen.
Sebastian hatte eigentlich nur auf seinen Vater gewartet, um ihm von der Ankunft des bayerischen Kammerherrn
Weitere Kostenlose Bücher