Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
setzte seinen Weg durch den Tunnel fort.
Ich folgte ihm; der Weg wurde nun wieder eben. Die Decke wich zurück, der Gang verbreiterte sich. Endlich erreichten wir die Höhlenöffnung. Dworkin stand einen Augenblick lang als Silhouette vor mir; er hatte den Stab angehoben. Draußen herrschte tiefe Nacht, eine saubere salzige Brise vertrieb den muffigen Höhlengeruch aus meiner Nase.
Nach kurzem Zögern ging er weiter; er trat in eine Welt aus Himmelskerzen und blauem Velours hinaus. Ich folgte ihm. Mir stockte der Atem bei der erstaunlichen Szene. Meine Reaktion galt nicht nur den Sternen, die in übernatürlichem Glanz schimmerten, und auch nicht der Tatsache, daß die Grenze zwischen Himmel und Meer wieder einmal völlig ausgelöscht war. Vielmehr glühte das Muster mit der azetylen-blauen Helligkeit eines Schweißbogens vor dem Himmel-Meer, und all die Sterne über, neben und unter uns waren mit geometrischer Präzision arrangiert und bildeten ein fantastisches undurchdringliches Gerüst, das vor allem den Eindruck erzeugte, als hingen wir in einem kosmischen Netz, dessen eigentliche Mitte das Muster war – der Rest des strahlenden Gewirrs, eine genaue Konsequenz seiner Existenz, Konfiguration und Position.
Dworkin wanderte zum Rand des Musters hinab, wo die abgedunkelte Stelle begann. Er schwenkte den Stab darüber und wandte sich zu mir um.
»Dort hast du es«, verkündete er, »das Loch in meinem Geist. Durch diese Lücke kann ich nicht mehr denken, ich muß mich irgendwie herumpirschen. Ich weiß nicht mehr, was zu geschehen hat, um etwas zu reparieren, das mir längst abgeht. Wenn du meinst, daß du es schaffst, mußt du auf die sofortige Vernichtung gefaßt sein, sobald du das Muster verläßt, um diese Bruchstelle zu beschreiten. Die Vernichtung würde nicht von der dunklen Stelle ausgehen, sondern vom Muster selbst, sobald du die Verbindung unterbrichst. Dabei mag dir das Juwel helfen – vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wird der Gang durch das Muster nicht leichter, sondern mit jeder Wende schwieriger, und deine Kräfte werden ständig nachlassen. Als wir das letztemal darüber sprachen, hattest du Angst. Willst du etwa behaupten, du hättest seither einen Born der Kühnheit gefunden?«
»Mag sein«, sagte ich. »Eine andere Möglichkeit siehst du nicht?«
»Ich weiß, daß es zu schaffen ist, indem man ganz von vorn anfängt; so habe ich es nämlich gemacht. Abgesehen davon sehe ich keine Alternative. Je länger du wartest, desto schlimmer wird die Situation. Warum holst du nicht das Juwel und leihst mir deine Klinge, Sohn? Ich wüßte keinen anderen Weg.«
»Nein«, antwortete ich. »Ich muß mehr wissen. Erzähl mir noch einmal, wie der Schaden entstanden ist.«
»Bis heute weiß ich nicht, welches deiner Kinder unser Blut an dieser Stelle vergossen hat – wenn du das meinst. Jedenfalls ist es geschehen. Laß es dabei bewenden. In den Kindern ist die dunkle Seite unserer Natur längst ausgeprägt. Wahrscheinlich leben sie zu nahe an jedem Chaos, aus dem wir hervorgegangen sind; sie sind aufgewachsen ohne die Willenanstrengungen, die von uns gefordert wurden, damit wir es abstreifen konnten. Ich hatte angenommen, daß das Ritual des Muster-Durchschreitens für sie genügen müßte. Etwas Schwierigeres ist mir nicht eingefallen. Aber es hat nicht genügt. Und jetzt schlagen sie wild um sich. Sie sind bestrebt, das Muster selbst zu vernichten.«
»Wenn es uns gelingt, einen Neuanfang zu machen – könnten sich all diese Ereignisse nicht einfach wiederholen?«
»Keine Ahnung. Aber welche andere Möglichkeit gibt es als den Fehlschlag und die Rückkehr ins Chaos?«
»Was wird aus ihnen, wenn wir einen Neuanfang versuchen?«
Er schwieg eine lange Zeit. Dann zuckte er die Achseln.
»Ich vermag es nicht zu sagen.«
»Wie hätte eine andere Generation ausgesehen?«
Er lachte leise.
»Was soll man auf eine solche Frage antworten? Ich habe keine Ahnung.«
Ich nahm den beschädigten Trumpf heraus und reichte ihm die Karte. Er betrachtete sie im Licht seines Stabes.
»Ich glaube, es ist das Blut von Randoms Sohn Martin, das hier vergossen wurde«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Was meinst du, welche Rolle mag er gespielt haben?«
Er blickte auf das Muster hinaus.
»Dies ist also das Objekt, das dort draußen lag«, sagte er. »Wie hast du es geholt?«
»Es wurde geholt«, erwiderte ich. »Die Karte ist doch nicht etwa deine Arbeit,
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