Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
Geschrei wiedervereinter Familien, das Geschwätz der Touristen, die Kakophonie der Radiosender und hoch über uns der Ruf des Muezzins zum Gebet. Ich drängte an den Schleppern vorbei, die mir »Allerbeste Preis, Lady« für billige Hotelzimmer versprachen, denn mir war bewußt, daß billig mit türlos, schranklos und unzähligen vielbeinigen Schlafgefährten gleichzusetzen war. Es war Weihnachten und mein Geburtstag, und ich hatte auf kühl glänzende Einkaufspassagen, auf Eierpunsch und knisternde Kaminfeuer verzichtet. Auf gar keinen Fall würde ich in einem schmierigen, türlosen Hotel absteigen.
    Meine Schwester Cammy oder eigentlich Camille - ehrlich, ich weiß, wie leicht man unsere Namen verwechselt, Camille und Chloe -, wartete auf der anderen Straßenseite. Niemand sieht uns an, daß wir Schwestern sind, denn ich bin groß und mager, habe kupferfarbenes Haar, grüne Augen und helle Haut, wohingegen Cammy fast exotisch wirkt. Sie ist kleiner, aber sie hat eine klassische Figur, kastanienbraunes Haar, und ihre Augen haben die Farbe von neuen Levi’s. Indigoblau -manchmal scheinen sie fast lila. Und nicht nur das, sie ist auch ein Genie. Ich war hier, um mit ihr ihren Doktor in Ägyptologie zu feiern. Ich liebe Camille; sie war schon immer mein Idol, ungeachtet der Tatsache, daß sie mich mit einem dämlichen Spitznamen bedacht hat - »Kätzchen«.
    »Chloe! Hallo, Schwesterherz!« Sie sah mir ins Gesicht, und ihr Lächeln brach strahlend durch die dunkle Haut.
    »Dr. Kingsley, nehme ich an?«
    Cammy warf den Kopf zurück und lachte, ein tiefer, kehliger Laut, der ihr von allen Seiten wohlgefällige männliche Blicke eintrug. »Ich wette, du wartest schon den ganzen Tag darauf,
    das zu sagen!«
    »Um genau zu sein, habe ich fast dein ganzes Leben darauf gewartet, das zu sagen. Haben sich die Mühen und der Schweiß denn gelohnt? Schließlich mußt du dir jetzt, wo du fertig bist, einen richtigen Job suchen.«
    »Kein Problem. Die Arbeit wird mir in den nächsten Jahren nicht ausgehen, schätze ich«, antwortete sie mit einem Lächeln, um das Mona Lisa sie beneidet hätte. Sie nahm mir die Tasche ab und marschierte los zum Taxistand. Jedes weitere Gespräch wurde von den »Bakschi sch«-Schreien einer Horde von Kindern übertönt, deren große dunkle Augen vor Begeisterung tanzten, während sie ihr Spiel mit den Touristen trieben. Bak-schisch war kein Betteln, es war eher eine Art Trinkgeld. Im Zweifelsfall einfach dafür, daß sie am Leben waren.
    »Hast du die Stifte mitgebracht, die ich haben wollte?« fragte sie.
    »In der Tasche.«
    Cammy zog eine Handvoll billiger, fast wertloser Kugelschreiber heraus, und den Kindern blieb vor Ehrfurcht der Mund offenstehen. Mit arabischen Ermahnungen, uns nun in Ruhe zu lassen, verteilte Cammy die Stifte, und die Kinder zerstreuten sich. »Du hast dir eben eine ganze Schar von Helfern gekauft«, verkündete sie triumphierend.
    »Nur für ein paar Kugelschreiber?«
    »Ja. Jetzt haben sie etwas zum Schreiben, wenn sie in die Schule gehen. Nimm stets ein paar Kugelschreiber mit - damit kannst du beim Feilschen den Preis runterschrauben.«
    Sie wußte, wie erbärmlich ich beim Feilschen war.
    »Cool«, sagte ich.
    Gerade als ich meine Tasche schulterte, kam ein Taxi quietschend vor uns zum Stehen, und ich kletterte hinter Cammy in den Fond. Sie gestikulierte und diskutierte mit dem Fahrer, dann fuhren wir los, wobei er sich alle Mühe gab, das uralte Vehikel in unter einer halben Stunde von Null auf Tempo 50 zu beschleunigen. Wir fuhren auf der Hauptstraße nach Süden, parallel zum Fluß.
    Luxor besteht aus zwei Städten, wobei die eine wie das moderne Spiegelbild der anderen wirkt. Während es im »touristischen« Teil rund um die antiken Tempelstätten von Luxor und Karnak Hotels, Restaurants, Läden und ein paar Nachtclubs gibt, besteht der »ursprüngliche« Teil aus windschiefen Häusern, Moscheen und einem Gewirr enger Gäßchen voller kleiner barfüßiger Fußballspieler. Wir jagten an ein paar Kaleschen vorbei, die am Fluß entlang dahinklepperten, entfernten uns ein paar Straßen vom Suk und fuhren durch die labyrinthischen Gassen, bis wir schließlich abrupt vor einem halbverfallenen Hotel stehenblieben, auf dessen Markise in Leuchtschrift eine Kartusche prankte.
    Ich konnte es nicht glauben.
    Das Wort »schmuddelig« wurde dieser Unterkunft nicht einmal entfernt gerecht. Dennoch machte sich meine Erschöpfung bemerkbar, und im Moment kümmerte es mich weniger,

Weitere Kostenlose Bücher