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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Männliche Tyrrfholyn waren kräftige Hengste – in jeder Hinsicht, und die physische Erregung würde ihn in jeder Gestalt an einer schnellen Flucht hindern.
    Nicht, dass er flüchten wollte. Ganz und gar nicht wollte er das.
    Er merkte kaum, wie er einen Huf vor den anderen setzte und dem Mädchen näher kam.
    Es weinte. Tränen rannen über das unglaublich schöne Gesicht – oder waren es nur Wassertropfen aus dem See? Im Sonnenlicht glitzerten sie wie Diamanten.
    Kanura war nur noch von dem einen Wunsch beseelt, ihr zu helfen und sie zu trösten mit allem, was er hatte und war. Sein Körper fieberte nach der Begegnung, zerrissen zwischen blanker Begierde und dem echten Herzenswunsch, dieses Wesen aus seiner Trauer zu reißen, es zu beglücken.
    Nun streckte sie etwas hilflos die Hand nach ihm aus, schien zu schwach, sich vom Rand des Sees entfernen zu können. Mit ihren blauen Augen hatte sie seinen Blick geradezu fixiert.
    » Komm « , sagte die Schöne.
    Ihre Stimme war wie Musik, sanft und melodisch. Und dennoch berührten ihre Worte in Kanura etwas anderes als Gefühle. Ganz langsam schaltete sich sein Verstand wieder ein, kämpfte gegen die Übermacht der Empfindungen, die seine Seele und seinen Körper gleichermaßen beherrschten.
    Er stellte erschrocken fest, dass er sie fast schon erreicht hatte. Widerstrebend blieb er stehen, befahl sich, seine Hufe nicht weiter zu setzen, sondern dort zu verharren, wo er war. Doch er wusste, auch das war schon entschieden zu nah. Ein eigentümliches Gefühl durchdrang ihn, irgendetwas zwischen Unruhe, Misstrauen und unbändigem Wollen.
    » Wer bist du? « , fragte er. Es schien ihm, als müssten seine Gedanken die Hürde der Sinnlichkeit überspringen, um voranzukommen.
    Die Hand, die sie nach ihm ausgestreckt hatte, fiel schwach zu Boden. Er musste ihr unbedingt helfen.
    » Schnell! « , murmelte sie. » Komm zu mir! «
    Er konnte jetzt sehen, wie sich der Boden unter ihrem Körper dunkel färbte. War das Blut? War sie verletzt?
    Unwillkürlich trat er noch näher. In Einhorngestalt würde er ihr schlecht helfen können. Er musste sich wandeln.
    Hielt sie etwas in der Hand? Die tief stehende Nachmittagssonne blendete Kanura. Er blinzelte. Irgendetwas glitzerte in den zarten Fingern. Was immer es war, sie streckte es ihm entgegen.
    Er stieg und schüttelte sich – und stand als Mensch da, ohne dass er noch einmal darüber nachgedacht hatte. Sein hellblondes Haar war im Nacken zusammengenommen und fiel ihm lang über den Rücken, seine Augen waren groß und hellbraun, ein Anflug von Nachmittagsbart warf dunkle Schatten auf seine Wangen und betonte seine ebenso dunklen Augenbrauen, die leicht schräg nach oben geschwungen waren. Seine Beine steckten in hohen Stiefeln, über die sich weite Stoffhosen bauschten. Auch sein kragenloses Leinenhemd war locker und weit geschnitten und an den Bünden mit Stickereien verziert.
    Die blauen Augen des Mädchens musterten ihn eingehend. Ihr Blick hielt ihn noch immer fest, sodass er kaum darüber nachdenken konnte, was er tat. Plötzlich schnitt der Gedanke an Edoryas durch seine Versonnenheit. Edoryas war tot. War diese Schöne das Letzte, was er gesehen hatte?
    » Nimm das! « , flüsterte die junge Frau jetzt. Ihre Stimme schien schwächer geworden zu sein, fast unhörbar, und wieder trat Kanura unwillkürlich näher heran. » Nimm es! « , wiederholte sie beinahe schmerzhaft drängend.
    » Was ist das? « , fragte Kanura, ebenso misstrauisch wie neugierig.
    » Meine Seele « , kam die gewisperte Antwort. » Du wirst sie brauchen. Komm näher. Näher! «
    » Wie – deine Seele? «
    Das klang unheilvoll. Kanura wünschte, er hätte Perjanu, den alten Schanchoyi, dabei. Der wüsste vielleicht eine Antwort auf das, was hier geschah. Auch in Kanuras Gedächtnis rührte sich eine Erinnerung. Irgendeine Legende über Seelen, die er einmal gehört hatte. Er wünschte, er hätte sie sich gemerkt.
    Er spürte nun ganz deutlich die Magie der Frau. Sie zog ihn wie an Fäden immer näher, und er blieb erschrocken stehen. Er hätte sich nicht wandeln sollen. Seine Stärke als Mann war mit der als Einhorn nicht vergleichbar. Außerdem spannte sein Beinkleid schmerzhaft, denn wider besseres Wissen begehrte er sie noch immer.
    » Nun nimm schon! Schnell, Kanura! Wanderer! Retter! «
    Wieso kannte sie seinen Namen?
    Sie schob sich mühsam weiter auf ihn zu. Er konnte nicht sehen, was sie in der Hand hielt, aber es glitzerte in der sinkenden

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