0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß
»Ich glaube ja. Damit Sie schon in etwa unterrichtet sind, gehen Sie erst ins Archiv, und suchen Sie alles heraus, was mit Camille Croughs in Verbindung steht. Der Mann ist Ihnen wohl noch bekannt, Jerry.«
Natürlich war er mir bekannt. Auf mein Gedächtnis konnte ich mich verlassen. »Es handelt sich wohl um den ,Kobalt-Boß‘?« fragte ich.
»Richtig, Jerry. Genau um den. Sie bringen die Unterlagen dann mit.«
»Okay, Mr. High!«
Unser Archiv war in Ordnung, und so fand ich schnell, was ich suchte. Während ich das gesammelte Material sichtete, tippte mir jemand auf die Schulter. Es war Phil.
»Befehl vom Chef«, sagte ich, »ich soll mich hier informieren.«
»Über was denn?«
»Über einen gewissen Camille Croughs, mit dem sich das FBI schon einmal beschäftigt hat.'Der Mann war aber plötzlich verschwunden, wir hörten und sahen nichts mehr von ihm, der Fall kam auf Eis. Bis der Bursche wieder auftauchte.«
»In Belgien.«
»Richtig, Phil. Und dort wurde er verdonnert. Ich glaube, drei Jahre bekam er. Laß uns mal unser Gedächtnis auffrischen!«
Das taten wir auch. Dann packten wir zusammen, was uns wichtig schien, und begaben uns zum Chefbüro.
»Setzt euch!« sagte Mr. High und schob uns eine Packung Zigaretten hin. »Bevor ich beginne, möchte ich gern hören, was ihr gefunden habt.«
Phil berichtete: »Camille Croughs lebte bei seinen aus Belgien eingewanderten Eltern in Brooklyn, geriet früh in schlechte Gesellschaft und wurde wegen kleinerer Delikte mehrere Male bestraft. Dann schloß er sich mit Pitt van Mullem, einem Jockei, der mit Dopingspritzen seinen Pferden zum Sieg verhalf, zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Bald kamen noch Frederico Strindi, der in Sing Sing sitzt, und Jack Rurick, der bei einer Razzia erschossen wurde, hinzu.«
Mr. High nickte.
»Wir brachten die Bande zur Strecke«, sagte er. »Nur Croughs ging durch die Lappen. Bitte weiter, Phil!«
»Und dann war Croughs wieder da. Darf ich es zusammengefaßt wiedergeben?«
»Bitte.«
»Camille Croughs fabrizierte brav Sargdeckelverzierungen in Tongeren. Eines Tages kam er darauf, daß man an der Brüsseler Börse mehr Geld verdienen kann. In der Börse lernte er die Importeure van Bibbe und Brandeis kennen, die aus dem Kongo Kobalt einführten, um es an belgische Metallgießereien zu verkaufen. Bedingung: Kein Weiterverkauf, nur in den eigenen Betrieben verarbeiten! Aber Croughs bot den kleineren Unternehmern zweihundert Franken Profit pro Kilo. Er bekam so viel Kobalt, wie er haben wollte, als Schrott deklariert, und verschob es. Nachweislich hat er hundertdreiunddreißig Tonnen verschachert.«
»Gut, jetzt berichten Sie weiter, Jerry!« sagte der Chef.
Worauf ich fortfuhr: »Für Camille Croughs’ weiße Weste plädierten vierzehn Anwälte flämisch und französisch. Croughs gestand: ›Ja, ich habe hundertdreiunddreißig Tonnen verschoben.‹ — Und seine Freundin Helen Baran gestand: ›Ja, ich habe die Ausfuhrpapiere durch Gefälligkeiten besorgt.‹ — Der Baran-Anwalt flehte das Gericht an: ›Meine Mandantin tat es nur aus Liebe zu Croughs.‹ Aber das Gericht ließ sich nicht erweichen. Bei einem Grundmaterial für die Wasserstoffbombenherstellung höre die Liebe auf, sagte der Präsident. Es hagelte Zuchthausstrafen und Geldstrafen von etwa einer halben Million Dollar. Dem von uns gestellten Antrag auf Auslieferung Croughs’ nach Verbüßung seiner Haft konnte nicht stattgegeben werden, weil Croughs entsprungen war. Bis heute sucht ihn und seine Freundin die Interpol vergeblich. Das wäre alles, Chef.«
»Nun bin ich an der Reihe«, sagte Mr. High. »Ihr wißt, daß man auch in Kanada Kobaltlager entdeckt hat. Uran wird schon länger gefördert. An der Grenze haben sich Gangs nach altbewährten Mustern gebildet, die das zur Grenze gebrachte Kobalt übernehmen. Es soll da oben zugehen wie in den Jahren der Prohibition, als Alkohol geschmuggelt wurde. Schießereien sind an der Tagesordnung, genau wie früher liefern sich die rivalisierenden Gangs regelrechte Schlachten. Die City Police von Buffalo tut, was sie kann.«
Er machte eine Pause und strich sich über die Stirn.
Dann sprach er weiter. »Ich bekam von der Zentrale in Washington den Auftrag, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeiorganen dem Bandenunwesen an der Grenze ein Ende zu bereiten. Natürlich könnten wir auf das bekannte Knöpfchen drücken. Aber was bei einer ungenügend vorbereiteten Groß-Razzia herauskommt, wißt ihr.
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