Die Rache des Samurai
würde, könnte er uns jetzt zusammen sehen – seine Spionin und den Mann, den er vernichten will.«
Abscheu stieg in Sano auf. »Also war es der Kammerherr, der dir befohlen hat, meine Nachforschungen zunichte zu machen. Ein weiterer Beweis für seine Schuld.«
»Kammerherr Yanagisawa ist ein Mordverdächtiger?«
Aois scharfe Frage riß Sano aus seinen düsteren Gedanken. »Ja«, gab er zu und erklärte Aoi, wie er zu dieser Ansicht gelangt war. Obwohl er ihr immer noch nicht traute, konnte es nicht schaden, ihr zu erzählen, was Yanagisawa ohnehin schon wußte.
Nachdem Sano geendet hatte, saß Aoi vollkommen regungslos da, doch in ihrem Blick lag eine vibrierende Kraft, die ihre ruhige Haltung Lügen strafte.
»Dann … falls der Kammerherr schuldig ist … wird er hingerichtet?« In ihrer Stimme schwang aufkeimende Hoffnung mit.
Sano wußte, was Aoi durch den Kopf ging: Wenn Yanagisawa starb, konnte sie in die Heimat zurückkehren, ohne Bestrafung durch eine Regierung befürchten zu müssen, die dann viel zu sehr damit beschäftigt war, sich neu zu organisieren, statt sich darum zu kümmern, was mit den Spitzeln des toten Kammerherrn geschah. Es gab ihm einen Stich ins Herz, als ihm klar wurde, daß es zwischen Aoi und ihm eine unüberbrückbare Schranke gab: Aoi wußte nicht, welche Folgen es für ihn, Sano, haben würde, falls Yanagisawa schuldig war. Und da Sano wußte, wie fest der Kammerherr Aoi in der Hand hatte, durfte er ihr nichts davon erzählen und riskieren, daß sein Plan dem Kammerherrn zu Ohren kam.
»Ja«, sagte Sano schließlich. »Falls Yanagisawa schuldig ist, wird er sterben.«
Aois strahlende Augen glänzten, als sie sich nach vorn beugte und Sanos Hände ergriff. »Ich kann dir helfen, seine Schuld zu beweisen. Dann braucht keiner von uns beiden seine Grausamkeit länger zu ertragen – und auch mein Volk nicht.«
Angesichts ihres Eifers, Yanagisawa zu überführen, schreckte Sano innerlich zurück. Mit einem Anflug von Zorn dachte er daran, auf welche Weise Aoi ihm schon einmal ›geholfen‹ hatte.
»Was könntest du denn tun?« Mißtrauisch geworden, löste er seine Hand aus der ihren. Ihre Visionen hatten sich als Wahrheiten erwiesen und zugleich als Lügen. Diese Frau, die er liebte, war von Geburt und Beruf eine Schwindlerin, mochte sie im Wesen auch noch so gut und edel sein.
Aoi verzog das Gesicht. Sanos Reaktion schmerzte sie, doch sie setzte sich stolz und aufrecht hin und legte die Handflächen auf die Knie. »Ja, ich habe dich betrogen, so wie meine Leute die deinen schon immer betrogen haben«, sagte sie und stellte wieder einmal ihr unheimliche Fähigkeit unter Beweis, Sanos Gedanken zu lesen. »Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, und ich kann auch keine unmittelbare Verbindung mit den Toten aufnehmen. Doch manchmal höre ich die Gedanken der Lebenden, so wie ich die deinen gehört habe. Und die Toten sprechen tatsächlich – durch die Dinge, die sie hinterlassen haben. Gegenstände berichten von den Menschen, in deren Besitz sie waren. Und ich kann ihre Sprache verstehen.«
Sie rückte näher an Sano heran, streichelte seine Brust und blickte ihm lächelnd in die Augen, wodurch sie seinen Zweifeln, seinem Mißtrauen und seinem Widerstand die ganze Macht ihrer Schönheit entgegensetzte – und seine Liebe zu ihr. »Falls Kammerherr Yanagisawa der bundori -Mörder ist, kann ich meine Kräfte dazu benützen, dir zu helfen, ihn vor Gericht zu bringen. Ich könnte einmal im Leben Gutes statt Böses tun. Bitte, laß uns zusammenarbeiten, um unseren gemeinsamen Feind zu vernichten!«
Fassungslos starrte Sano sie an. Konnte er zulassen, daß Aoi sich selbst und ihre Familie in Gefahr brachte, indem sie sich gegen ihren Herrn verschwor, der sie in der Hand hatte? Doch er sah ein, daß er jede Hilfe annehmen mußte, die er bekommen konnte – wie ungewöhnlich und unwillkommen sie auch sein mochte. Ihm blieben nur noch drei Tage; dann lief die Frist ab, die der Shōgun ihm gesetzt hatte. Und die Pflichten seinem Vater und seinem Herrn gegenüber verlangten von ihm, daß er sein Bestes gab, den bundori -Mörder zu fassen, egal was es ihn oder andere kostete.
Außerdem hatte Sano genaue Vorstellungen, welche Aufgabe Aoi für ihn erledigen konnte.
Mit einem Seufzer schloß er sie in die Arme und legte die Wange an ihr Haar, damit sie nicht sehen konnte, wie unglücklich er sich fühlte. »Also gut, Aoi. Ich danke dir. Wir werden zuammenarbeiten.«
Und zusammensein,
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