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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Verhältnis mit dem wohlhabenden Mimaki Teinosuke einging, dem obersten Straßenbaumeister der Tokugawa, zweiunddreißig Jahre älter als sie.
    Die Öffentlichkeit hatte diese Beziehung mit größtem Interesse verfolgt. Jedermann sprach von den Geschenken, mit denen Mimaki seine Geliebte überschüttete; von seinen poetischen Liebesbriefen und davon, daß er seine Frau hatte sitzen lassen, daß er seiner Familie entsagt hatte, daß er sich nicht mehr um seine Arbeit gekümmert und statt dessen Stunden um Stunden mit O-tama in den Privatgemächern der »Wasserlilie« verbracht hatte – ein Privileg, für das Mimaki Unsummen gezahlt hatte. Die tiefe Liebe zwischen den beiden schien unweigerlich mit einer Tragödie enden zu müssen, wie es bei jeder verbotenen Romanze der Fall war, zumal Gerüchte über ein hartes Durchgreifen der Regierung gegen die Prostitution in Badehäusern kursierten.
    Sano erreichte Mimakis Haus, ein großes Wohn- und Arbeitsgebäude mit einer ungewöhnlich hohen Mauer, über die nur die Spitze des Ziegeldaches emporragte. Sano nannte dem Wachmann am Haupttor seinen Namen und seinen Titel und sagte: »Ich möchte ein offizielles Gespräch mit der Dame O-tama führen.«
    Der Wächter öffnete das Tor, sagte etwas zu jemandem im Inneren, und schloß es wieder. »Wartet bitte«, sagte er zu Sano. »Euer Anliegen wird dem Herrn Mimaki vorgebracht.«
    Als Sano vom Pferd gestiegen war und wartete, rief er sich in Erinnerung, wie die Geschichte von Mimaki und O-tama geendet hatte. Das Verbot der Badehaus-Prostitution durch die Regierung hatte sich als ebenso überflüssig erwiesen wie das öffentliche Mitleid für Mimaki und O-tama, deren Liebe dadurch dem Untergang geweiht war. Ein Feuer hatte die »Wasserlilie« zerstört. Mimaki hatte seine Familie aufs Land geschickt und O-tama als Konkubine in sein Haus aufgenommen. Dort, so munkelte man, behandelte er sie wie eine Kaiserin und erfüllte ihr jeden Wunsch. O-tama brauchte keinen Handgriff zu tun; für alles und jedes standen Diener bereit. Mimaki, der eifersüchtig auf O-tamas Schönheit war und die Frau ganz für sich allein wollte, mied die Öffentlichkeit. Wenn ein Besucher kam, den er nicht abweisen konnte, stellte er sogar einen Schirm vor O-tama auf, um sie vor fremden Blicken zu schützen.
    Da die Liebesaffäre, die vor zehn Jahren so hohe Wogen geschlagen hatte, ein glückliches Ende fand, hatte das Interesse der Leute sich anderen Dingen zugewandt. Sano hatte seit Jahren nichts über O-tama gehört. Er fragte sich, wie sie jetzt wohl sein mochte, und schüttelte den Kopf, bei dem Gedanken, wie seltsam es doch war, daß sie nun als Verdächtige in einem Mordfall wieder ins Licht rückte. Und wer hätte gedacht, daß das Blut eines großen Kriegsherrn wie General Fujiwara in O-tamas Adern rann?
    Das Tor wurde geöffnet. Eine Dienerin in mittlerem Alter, wahrscheinlich die Hausvorsteherin, verbeugte sich vor Sano. »Kommt bitte mit mir, Herr.«
    Sano folgte ihr in die Eingangshalle, wo er seine Schwerter ablegte. Doch statt den Besucher durch die Zimmer der Villa zu führen, geleitete die Dienerin Sano über einen Pfad, der neben dem Gebäude verlief, dann durch ein weiteres Tor in den ungewöhnlichsten Garten, den Sano je gesehen hatte. Kiesbedeckte Wege wanden sich um Felsblöcke, Fichten und blühende Kirschbäume, wie man sie in fast jedem Garten fand, doch weniger herkömmliche Pflanzen und Gegenstände beherrschten die Szenerie: An den zarten grauen Zweigen von Fliederbüschen prangten purpurne Blüten und verströmten ihren lieblichen Duft. Der Zaun und die Veranda waren von Jasmin und Heckenkirschen schier überwuchert. Von den Ästen eines Rotahorns hingen zahllose klingelnde Windglöckchen; in Holzhäuschen, die im Geäst der Pflaumenbäume angebracht waren, zwitscherten Vögel. Rote Karpfen schwammen in einem kleinen Teich, in dessen Nähe ein eigenartiger Stuhl stand, wie Sano ihn auf Bildern aus der holländischen Händlerkolonie auf der Insel Deshima gesehen hatte, nur daß an den Beinen dieses Stuhls hölzerne Räder befestigt waren. Neben einem Beet aus duftender Minze kniete ein grauhaariger Samurai im schwarzen Kimono und jätete mit einer kleinen Schaufel Unkraut.
    Die Hausvorsteherin führte Sano zu dem Mann. »Mimaki -sama «, sagte sie, »dies ist sōsakan Sano.«
    Mimaki erhob sich. Als die Männer sich voreinander verbeugten, stellte Sano fest, daß der nunmehr sechzigjährige Mimaki ganz und gar nicht wie der

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