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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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vereinten, der in Kehren und Windungen weiterführte und sich in der dunstigen Ferne verlor. Etwa zweihundert Schritt hinter dem Zusammenfluß stand das Gebäude, das die Männer von weitem gesehen hatten.
    »Komm«, sagte Sano, den bei diesem Anblick frische Kraft durchströmte.
    Er sprang über den Graben und zwang dann sein Pferd hinüber. Ohne abzuwarten, ob Hirata ihm folgte, schwang er sich in den Sattel und ritt das letzte Stück bis zum Haus. Hier war der Untergrund höher und fester als im Sumpf, obwohl der Boden auch hier so dicht von Gras überwuchert war wie das umliegende Gelände. Als Sano sich dem Bauwerk näherte, wurden seine Umrisse deutlich erkennbar.
    Das Gebäude war ein minka – ein Wohnhaus, wie man es in allen ländlichen Gegenden Japans antraf. Es war von einer zerbröckelnden irdenen Mauer umgeben, die außer dem Haupthaus eine verfallene Scheune umschloß. Das Dachgeschoß mitgezählt, besaß das Haus drei Stockwerke; die Wände waren aus kahlem, nicht verputztem Fachwerk und besaßen nur wenige, winzige vergitterte Fenster. Zwischen zwei verwitterten hölzernen Pfosten, die erkennen ließen, daß sich hier einst ein Tor befunden hatte, war eine Lücke in der Mauer. Vor diesem Durchlaß schwang Sano sich vom Pferd. Dann, plötzlich, fiel ihm etwas auf, und er holte tief Atem und stieß ihn langsam wieder aus.
    »Schau dir die Dächer an«, sagte er zu Hirata, der zu ihm aufgeschlossen hatte. »Sehen sie nicht aus wie der Helm eines Samurai?«
    Die beiden Dächer waren stufig angelegt und mit dickem, zottigem Ried gedeckt; die Flügel des unteren Daches – eher eine umlaufende, leicht nach oben gewölbte Überdachung zwischen der ersten und zweiten Etage – erinnerten an die Seitenklappen am Helm eines Kriegers. Über dem zweiten Stockwerk befand sich das eigentliche Dach des Hauses, in dessen Innerem sich das Dachgeschoß befand; von den vier Seiten des Gebäudes aus verlief dieses Hauptdach steil nach oben und verengte sich zu einer Spitze. Zu beiden Seiten des Firstes befanden sich überkreuzte Balken, die lange Vorsprünge bildeten, ähnlich den Hörnern, welche die Kopfbedeckung eines Generals krönten.
    Doch das Haus sah verlassen aus, als wäre es seit Jahren nicht betreten worden. In Sano stiegen Zweifel auf, doch er verwarf sie rasch. Bis jetzt hatte Aoi in allem recht gehabt. Weshalb sollte nun nicht auch der Mörder erscheinen?
    Hirata räusperte sich und sagte: » Sumimasen . Verzeiht mir, wenn ich Euch vorgreife, sōsakan-sama , aber falls dem Mörder dieses Haus gehört, könnten wir vielleicht den Grundbucheintragungen entnehmen, um wen es sich handelt.«
    Sano betrachtete seinen Gehilfen mit neuem Respekt. Bislang war er davon ausgegangen, daß der Mörder sich in dem verlassenen Haus lediglich eingenistet hatte, doch Hiratas Vorschlag war durchaus nicht abwegig.
    »Eine gute Idee«, sagte Sano. »Falls wir den Mörder heute abend nicht fassen, werden wir die Akten einsehen, sobald wir wieder in der Stadt sind.« Doch er hoffte inständig, daß sie den Täter erwischten, so daß ihnen diese lange Aktensuche erspart blieb. »Aber jetzt komm erst einmal. Schauen wir uns um.«
    Sie banden die Pferde im Inneren der Mauer an und umrundeten das Haus. Auf der Rückseite führte ein überwucherter Pfad nach Westen; wahrscheinlich traf er irgendwo auf die Straße nach Edo. Auf dem Pfad waren keinerlei Huf- oder Trittspuren zu sehen, und auch keine sonstigen Anzeichen dafür, daß jemand diesen Pfad in letzter Zeit benützt hatte. Um sie herum breitete sich, so weit Sano sehen konnte, das Sumpfland aus: eine gewaltige Ebene, aus der nur hier und da Bäume emporragten. Das Rascheln des Windes im Gras war das einzige Geräusch.
    »Laß uns hineingehen«, sagte Sano und schob seine Bedenken beiseite.
    Die Männer nahmen Kerzen und Zündhölzer aus den Satteltaschen; dann schritten sie einen gewundenen, mit Steinplatten ausgelegten Gehweg hinauf und gelangten auf einen Hof, der von kniehohem Gras bewachsen war: nach und nach nahm das Sumpfland Hof und Haus in Besitz. Die Eingangstür war nicht verschlossen, doch die Bretter hatten sich in dem feuchten Klima mit Nässe vollgesogen, so daß es der vereinten Kräfte Sanos und Hiratas bedurfte, die Tür zu öffnen. Dann zündeten sie die Kerzen an und betraten vorsichtig das Innere des dahinter liegenden Zimmers.
    Die Kerzenflammen erhellten einen einzigen großen Raum mit irdenem Boden und Wänden aus Lehm. Spalten zwischen den Enden der

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