Die Reise zu den Elfeninseln
»Und erhöhe.«
Donax streckt eine Hand aus, und Conax lässt eine schwere Geldbörse hineinfallen. Donax reißt ungeduldig die Bänder des Verschlusses auf und zählt rasch das Geld ab.
»Deine fünfzig Gurans und noch zweihundert.«
Die Kiebitze tuscheln aufgeregt. Zweihundert Gurans. Ein ehrlicher Bürger muss dafür ziemlich lange arbeiten. Selbst ich brauche eine Weile, um das zu verdienen, und ich bin längst nicht so ehrlich.
Makri bringt uns ein Tablett mit frischen Getränken an den Tisch. Ravenius mustert sie interessiert. Makri ist eine gründliche Musterung wert, jedenfalls wenn man ein junger Mann ist und noch die Energie für solche Dinge hat. Sie ist stark, sehr attraktiv und wahrscheinlich die einzige Person im ganzen Westen, in deren Adern Orgk-Blut, Elfenblut und Menschenblut gleichzeitig fließt. Makri bietet einen bemerkenswerten Anblick. Sie trägt bei der Arbeit ein knappes zweiteiliges Kettendress, und das aus einem guten Grund: Sie will ihr Trinkgeld erhöhen. Da Makri mit einer Figur gesegnet ist, von der Männer träumen, wenn sie weit weg von zu Hause sind, und vielleicht noch mehr träumen, wenn sie wieder nach Hause kommen, kassiert sie reichlich Trinkgeld.
Meine fünf Karten liegen verdeckt vor mir auf dem Tisch. Ich brauche sie nicht mehr anzusehen. Auf Donax’ Erhöhung reagiere ich weder zu langsam noch zu hastig. Zweihundert Gurans auf ein Blatt zu setzen, übersteigt zwar normalerweise meine Möglichkeiten, aber letzten Monat habe ich im Turas-Gedächtnis-Rennen einen außerordentlich fetten Gewinn eingefahren, weil ich eine sehr kühne Wette platziert habe. Und da ich noch den größten Teil meines Wettgewinns besitze, kann ich Donax’ Einsatz halten. Ich nehme mir zuerst ein Bier von Makris Tablett und schiebe meinen Stuhl etwas zurück, damit ich besser unter meinen Bauch greifen kann. Dann ziehe ich meine Börse hervor, zähle zweihundert Gurans auf den Tisch und schiebe sie in die Mitte.
In der Kaschemme herrscht vollkommene Ruhe. Nur das Knistern des Feuers ist noch zu hören. Makri starrt mich an. Sie ist einer meiner wenigen Freunde in dieser Stadt. Und aus ihrem Gesichtsausdruck schließe ich, dass sie mich für einen großen Narren hält, der gerade sein Geld aus dem Fenster wirft.
Hauptmann Rallig kann nicht mehr mithalten. Selbst schuld. Warum ist er auch so ehrlich? Um bei solchen Einsätzen mithalten zu können, müsste er ab und zu ein kleines Bestechungsgeld annehmen. Angewidert wirft er seine Karten in den Topf.
Der Alte Grax ist der Nächste. Trotz der Hitze hat er seinen dunkelgrünen Mantel mit dem Pelzkragen nicht abgelegt, der seine hohe Stellung im Ehrenwerten Verein der Kaufmannschaft anzeigt. Er ist sehr wohlhabend, was auch kein Wunder ist, bei der Menge von Wein, die in Turai vertilgt wird. Trotzdem scheint er nicht besonders scharf darauf zu sein, zweihundert Gurans auf das Blatt zu riskieren, das er in der Hand hält.
Ich hatte ihn also richtig eingeschätzt. Er passt, aber sein Gesicht verrät keinerlei Regung, weder Ärger noch Enttäuschung. Er winkt Makri, dass sie ihm mehr Wein bringen soll, und ich bestelle gleich noch ein Bier. Ich brauche beim Kartenspielen nicht unbedingt nüchtern zu bleiben. Jedenfalls rede ich mir das gern ein.
Ghurd seufzt schwer. Er hat bereits viel verloren, und der Verlust von weiteren zweihundert Gurans würde ein beträchtliches Loch in die Kasse der Kaschemme reißen. Ghurd musste nach den Unruhen letztes Jahr, die die ganze Stadt erschüttert hatten, eine hohe Summe für Renovierungen aufbringen, was vielleicht jetzt den Ausschlag gibt. Zögernd wirft er sein Blatt in die Mitte. Ich bemerke, dass Tanrose lächelt. Sie sieht ihn nicht gerne verlieren. Tanrose hat eine Schwäche für den alten Barbaren. Außerdem muss er ihr Gehalt bezahlen.
Makri reicht mir das Bier und bleibt dann neben mir stehen. Hier in der Rächenden Axt haben sich mittlerweile alle mehr oder weniger an sie gewöhnt, aber in der Stadt erregt sie immer noch Aufsehen. Das liegt nicht nur an ihrem Aussehen und ihrer Figur. Der rötliche Ton ihrer Haut und ihre spitzen Ohren verraten das Orgk-und das Elfenblut, und wer Orgk-Blut in sich hat, wird als verflucht angesehen, zum sozialen Außenseiter gestempelt und ist in Turai höchst unwillkommen. Alle hassen Orgks, obwohl wir im Moment Frieden mit ihnen haben. Makri ist außerdem auch nur zu einem Viertel eine Orgk, aber das genügt, um in manchen Bezirken unseres Stadtstaats mächtigen
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