Die Rueckkehr des Daemons
einer Woche fünfzehn geworden, aber seine Mutter behandelte ihn noch immer wie einen Säugling, fand Sid. Sein Vater war noch schlimmer. Für ihn schien sein einziger Sohn nur ein Geld verschlingender Störfaktor zu sein.
Möglichst geräuschlos betrat er das Speisezimmer.
Alles umsonst! Hinter den riesigen Blättern der New York Times verbarg sich ein Mensch. Ein Mensch mit einer protzigen goldenen Rolex. Eindeutig sein Vater. Ihr Apartment lag im rechten Turm des San Remo, nicht umsonst eine der begehrtesten Adressen von ganz Manhattan. Von jedem Raum aus hatte man diesen herrlichen Blick über den Park, wenn man nicht, wie sein Vater, alles Schöne ignorierte und sich mit dem Rücken zum Fenster setzte.
»Morgen!«, murmelte Sid. Mürrisch drückte er sich auf einen Stuhl am Esstisch, so weit wie möglich von seinem Vater entfernt.
»Guten Morgen, mein Sohn!«, flötete sein Vater zurück.
Der ungewohnt freundliche Ton ließ bei Sid alle Alarmglocken schrillen. Was wollte sein Vater von ihm? Und warum war er noch nicht im Büro? Unsicher wischte er sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Hast du gut geschlafen?« Bob Martins klappte die obere Hälfte der Times herunter. Sein braunes Haar saß perfekt. Sein Gesicht war glatt, keine Bartstoppel war zu sehen, die Zähne strahlten weißer als weiß. Er stand für alles, was ein Dichter hasste.
»Mmmm…«, brummte Sid als Antwort. Sollte sich sein Vater doch selbst zusammenreimen, ob das ja oder nein hieß.
Als Dolores hereinkam, um Kaffee nachzuschenken, legte Bob Martins die Zeitung zur Seite. Erstaunt bemerkte Sid, dass er nicht seinen geliebten Wirtschaftsteil gelesen hatte. Sein Vater war in einen Artikel auf der Titelseite vertieft gewesen. Sid überflog die Schlagzeile: Frauenleiche aus Hudson gibt NYPD Rätsel au f. Das Foto darunter konnte er verkehrt herum nicht erkennen.
»Seit wann interessierst du dich denn für die Arbeit der Polizei?«, fragte er provozierend.
Sein Vater kniff die Augen zusammen. Hektisch nahm er die Zeitung wieder an sich und faltete sie umgekehrt zusammen, sodass ein Fotobericht über den New Yorker Künstler Jeff Koons zu sehen war. Sid mochte Jeff, weil er der High Society der Stadt – und seinen Eltern – für Basketbälle in Acryl Millionen aus der Tasche zog. Im Gegenzug dafür durften sie ihn Freund nennen.
»Wenn ich etwas über Jeff wissen will, frage ich ihn lieber persönlich«, sagte Sid pampig. »Aber was ist das für eine Sache mit diesem toten Mädchen?«
Sein Vater hustete nervös. Der Milchkaffee tropfte von seinen Mundwinkeln auf das Armani-Jackett.
»Verdammter Mist!«, fluchte er.
Ungelenk versuchte ihm Dolores die Flecken abzutupfen. Dabei rieb sie den Kaffee nur noch tiefer in den teuren Stoff. Sid grinste bei dem Gedanken daran, dass sie es absichtlich tun könnte. Als Dank für die unfreundliche Art, mit der sie immer herumgehetzt wurde. Die Nervosität seines Vaters amüsierte Sid. Gerne heizte er die Stimmung weiter an.
»Warum bist du denn so gereizt?«
»Herrgott! Ich bin doch nicht…!«
Sids Mutter kam herein, eine kleine Frau mit wasserstoffblonden Haaren, die sich mithilfe eines persönlichen Fitnesstrainers verbissen bemühte, ihre jugendliche Figur zu erhalten. Mit einem schwarzen Hosenanzug und perfektem Make-up war sie bereits für den anstrengenden Tag einer Millionärsgattin gestylt, lediglich die Wattepads zwischen ihren frisch lackierten Zehen schmälerten den Gesamteindruck. Sie und ihr Mann wechselten einen scharfen Blick.
»Sag dem Jungen die Wahrheit, Bob!«, sagte sie. »Erzähle ihm von deiner Rede!« In einem großen Aschenbecher auf dem Tresen drückte sie ihre halb gerauchte Menthol-Zigarette aus. Drei weitere Stummel mit hellroten Lippenstiftabdrücken verrieten Sid, dass es nicht die erste heute war. Wegen ihrer Nikotinsucht hatte Sids Vater extra eine ultramoderne Entlüftungsanlage einbauen lassen. In den letzten zehn Jahren hatte sich ganz New York in eine einzige Nichtraucherzone verwandelt, wie Caroline nicht aufhörte sich zu entrüsten. Wenigstens in ihren eigenen vier Wänden wollte sie ungehemmt rauchen können.
Bob seufzte. »Ja, ich bin aufgeregt!«, gab er zu. »Ich soll heute Nachmittag einen Vortrag halten. Immobilienspekulation im 21Jahrhundert. Chancen und Risiken. Alle meine Konkurrenten werden anwesend sein. Und die Presse. Hättest du da nicht auch ein kleines bisschen Herzklopfen?«
Sid zuckte mit den Schultern. »Wer sich der Kritik
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