Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
am ersten Tag.« Er schluckte. »Trotzdem. Das hier ist nicht meine Welt, Sheila.«
Auch wenn seine Worte ihr wehtaten, konnte Sheila ihren Vater verstehen. Gavino hatte in seinem Leben nichts anderes getan, alsmit einem kleinen Boot aufs Meer hinauszufahren und Fische zu fangen – genau wie schon sein Vater und sein Großvater. Eines Tages hatte Gavino Sheilas Mutter kennengelernt, die mit einer Freundin Urlaub auf Sardinien machte. Sabrina und Gavino hatten sich sofort ineinander verliebt, aber dann war Gavino plötzlich verschwunden. Sabrina hatte geglaubt, dass er nichts mehr von ihr wissen wollte. Traurig und enttäuscht war sie nach Deutschland zurückgekehrt und einige Monate später wurde Sheila geboren.
Erst in diesem Sommer hatte sich herausgestellt, was wirklich mit Gavino passiert war. Gavino hatte Sabrina damals nicht freiwillig im Stich gelassen. Ein unheimlicher Mann namens Zaidon, der über magische Kräfte verfügte, hatte Gavino in seinen Dienst gerufen – und ihn schließlich versteinert, weil Gavino ihm nicht gehorcht hatte.
Gavino nannte die Zeit, die er als steinerner Delfin auf dem Meeresgrund verbracht hatte, die Graue Zeit .
»Ich fühlte mich so leer«, hatte Gavino erzählt. »Alles war starr, ich konnte mich nicht rühren. Mein Herz stand still und auch die Zeit. Es war ein einziges graues Nichts.«
Sheila hatte versucht, sich das Nichts vorzustellen. Sie sah lauter Nebel vor sich, der keinen Anfang hatte und kein Ende. Man konnte endlos darin herumirren, ohne an ein Ziel zu kommen.
Es musste furchtbar gewesen sein. Wie hatte Zaidon ihrem Vater das antun können! Doch Gavino war nicht der Einzige gewesen, der versteinert worden war. Unzählige Meereswandler hatten Gavinos Schicksal teilen müssen. Sheila ballte unwillkürlich die Fäuste. Obwohl Zaidon jetzt tot war, wurde sie jedes Mal zornig, wenn sie an ihn dachte.
»Vielleicht sollte ich nach Sardinien zurückgehen«, sagte Gavino unvermittelt. Er hatte die Gabel beiseitegelegt. Der Rest seines Essens war längst kalt.
»Dann komme ich mit«, sagte Sheila sofort.
Im selben Moment hörten sie, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Sabrina kam herein, beladen mit Tüten, die sie im Flur abstellte. Sie zog ihre Jacke und die Schuhe aus und ging in die Küche.
»Hallo, ihr beiden.« Sie lächelte und gab zuerst Sheila, dann Gavino einen Kuss. »Ich habe schon fürs Wochenende eingekauft. Hoffentlich habt ihr mir noch was vom Mittagessen übrig gelassen.« Sie sah erschöpft aus.
»Es sind noch Makkaroni im Topf«, antwortete Gavino, aber Sabrina hatte sich schon Sheila zugewandt.
»Wie war’s in der Schule?«
»Wie immer«, murmelte Sheila. Am liebsten hätte sie hinzugefügt: »Und es wird jeden Tag schlimmer.« Ihre Mutter hatte keine Ahnung, was in der Schule abging und dass Sheila sich überwinden musste, nicht zu schwänzen. Schon früher hatte sie sich ausgeschlossen gefühlt, aber seit dem Sommer war das Gefühl noch viel stärker. Sheila wusste jetzt, dass sie tatsächlich anders war als ihre Mitschüler. Sie war eine Meereswandlerin, eine Nachfahrin der Bewohner von Atlantis.
»Und wie hast du den Vormittag verbracht?«, fragte Sabrina Gavino.
Er zuckte mit den Schultern. »Es war wieder nichts in der Zeitung.«
Sheila wusste, dass ihr Vater einen Job suchte. Es sah nicht gut fürihn aus. Er hatte sich schon auf dem Fischmarkt umgehört, aber dort hatte man ihn auch nicht brauchen können, obwohl Gavino bereit war, alle Arbeiten anzunehmen. Er hätte sogar Kisten gestapelt oder Abfälle zusammengekehrt.
»Du hättest im Wohnzimmer staubsaugen können«, sagte Sabrina nun. Sie strich sich nervös eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Blick fiel auf den Abfalleimer, der überquoll. »Oder wenigstens den Müll runterbringen. Wenigstens das.«
»Entschuldige.« Gavinos Stimme klang kleinlaut. »Ich habe nicht daran gedacht.«
Sheila sah, wie ihre Mutter die Lippen zusammenpresste und wortlos anfing, ihre Einkäufe auszupacken und in die kleine Vorratskammer einzuräumen. Gavino wollte ihr dabei helfen, doch sie schüttelte den Kopf.
»Lass nur, du weißt ja sowieso nicht, wohin die Sachen gehören!«
Gavino machte ein trauriges Gesicht und trat ans Fenster. Stumm starrte er hinaus. Es hatte inzwischen angefangen zu regnen.
Sheila stellte das Geschirr zusammen. In der letzten Zeit kam es schon wegen Kleinigkeiten zu Auseinandersetzungen zwischen Sabrina und Gavino. Entweder stritten sie sich laut oder es
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