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Die Schale der Winde

Die Schale der Winde

Titel: Die Schale der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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hübsch wie du, aber wie kann man zwei Sonnenaufgänge vergleichen?«
    Sie sah ihn einen Moment mit leisem Lächeln an, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie überrascht oder erfreut sein sollte. »Du bist ein sehr gefährlicher Mann, Rand al'Thor«, murmelte sie und beugte sich langsam vor. Er glaubte in ihren Augen zu versinken und verloren zu sein. All die Male zuvor, wenn sie auf seinem Schoß gesessen und ihn geküßt hatte, all die Male hatte er geglaubt, sie necke nur einen Bauernjungen, während er fast aus der Haut gefahren wäre, weil er sie ständig küssen wollte. Nun, wenn sie ihn jetzt erneut küßte...
    Er ergriff sie fest an den Armen, erhob sich und stellte sie auf die Füße. Er liebte sie, und sie liebte ihn, aber er mußte daran denken, daß er auch Elayne ständig küssen wollte, wenn er an sie dachte, und Aviendha ebenfalls. Was immer Min über Rhuarc oder jeden anderen Aiel sagte, war sie doch an dem Tag, an dem sie sich in ihn verliebt hatte, schlecht beraten gewesen. »Du hast mir nicht einmal die Hälfte erzählt, Min«, sagte er ruhig. »Welche Visionen hast du mir vorenthalten?«
    Sie sah zu ihm hoch, und Enttäuschung spiegelte sich auf ihrem Gesicht, aber das konnte nicht sein. »Du liebst den Wiedergeborenen Drachen, Min Farshaw«, murrte sie, »und solltest stets daran denken. Und du besser auch, Rand«, fügte sie hinzu und entzog sich ihm. Er ließ sie widerwillig und auch erleichtert los. Er wußte nicht, was von beidem eher zutraf. »Du bist schon eine halbe Woche wieder in Cairhien und hast noch immer nichts wegen des Meervolks unternommen. Berelain dachte, du könntest dich vielleicht dazu aufraffen. Sie hat mir einen Brief hinterlassen, in dem sie mich bittet, dich immer wieder daran zu erinnern, aber du hast es nicht zugelassen. Nun, es macht nichts. Berelain glaubt, das Meervolk wäre irgendwie wichtig für dich. Sie sagt, du seist die Erfüllung irgendeiner ihrer Prophezeiungen.«
    »Ich weiß alles darüber, Min. Ich...« Er hatte erwogen, sich nicht auf das Meervolk einzulassen. Es wurde in den Prophezeiungen des Drachen, die er finden konnte, nicht erwähnt. Aber wenn er Min in seiner Nähe bleiben ließ, sie die Gefahren auf sich nehmen ließ... Er erkannte, daß sie gewonnen hatte. Er hatte Elayne mit bangem Herzen und Aviendha mit verkrampftem Magen fortgehen sehen. Er konnte es nicht noch einmal ertragen. Min stand abwartend da. »Ich werde sie noch heute auf ihrem Schiff aufsuchen. Das Meervolk soll vor dem Wiedergeborenen Drachen in all seinem Glanz niederknien. Vermutlich bestand niemals Hoffnung auf etwas anderes. Entweder gehören sie zu meinen Leuten, oder sie sind meine Feinde. So ist es anscheinend immer. Wirst du mir jetzt von deinen Visionen erzählen?«
    »Rand, du solltest um ihre Eigenheiten wissen, bevor du...«
    »Die Visionen?«
    Sie verschränkte die Arme und blickte stirnrunzelnd zu ihm hoch. Sie schüttelte den Kopf und murrte leise etwas. Schließlich sagte sie: »In Wirklichkeit gibt es nur eine Vision. Ich habe übertrieben. Ich sah dich und einen anderen Mann. Ich konnte eure beiden Gesichter nicht erkennen, aber ich wußte, daß du einer der Männer warst. Ihr berührtet euch und schient ineinander zu verschmelzen und...« Sie preßte besorgt die Lippen zusammen und fuhr dann sehr bedrückt fort. »Ich weiß nicht, was es bedeutet, Rand, nur daß einer von euch stirbt und einer überlebt. Ich... Warum grinst du? Das ist kein Scherz, Rand. Ich weiß nicht, wer von euch stirbt.«
    »Ich grinse, weil du mir damit sehr gute Nachrichten überbracht hast«, sagte er und berührte ihre Wange. Der andere Mann mußte Lews Therin sein. Ich bin nicht einfach wahnsinnig und höre Stimmen, dachte er frohlockend. Einer lebte und einer starb, aber er hatte schon lange gewußt, daß er sterben würde. Zumindest war er nicht wahnsinnig. Oder bei weitem nicht so wahnsinnig, wie er befürchtet hatte, obwohl er seine Launen noch immer kaum beherrschen konnte. »Verstehst du, ich...«
    Plötzlich erkannte er, daß er ihr Gesicht nicht mehr nur berührte, sondern es mit beiden Händen umfaßte. Er ließ sie los, als hätte er sich verbrannt. Min schürzte die Lippen und sah ihn tadelnd an, aber er würde sie nicht zu seinem Vorteil benutzen. Es wäre ihr gegenüber ungerecht. Glücklicherweise begann sein Magen laut zu knurren.
    »Ich muß etwas essen, wenn ich das Meervolk aufsuchen soll. Ich habe ein Tablett gesehen...«
    Min schnaubte, als er sich

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