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Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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gehorchte ich ihm sofort und ging mit ihm in die Tür hinein und nach der Schenkstube, wo unser alter Freibeuter saß, der vom Rum halb benebelt war. Der Blinde hielt sich dicht an mich, ohne seine eiserne Faust von mir abzulassen, und sagte:
    »Führe mich dicht an ihn heran, und wenn ich gerade vor ihm stehe, dann sage: ›Hier ist ein Freund von Euch.‹ Wenn du das nicht tust, dann tu ich was anderes!«
    Und damit gab er mir wieder einen Druck, daß ich dachte, ich würde ohnmächtig. Ich hatte eine so fürchterliche Angst vor dem blinden Bettler, daß ich an meine Angst vor dem Kaptein gar nicht dachte, und als ich die Tür zur Schenkstube aufmachte, rief ich mit zitternder Stimme die Worte, die der Blinde mir befohlen hatte.
    Der arme Kaptein blickte auf, und auf den ersten Blick verschwand der Rumdunst aus seinem Kopf, und er war vollständig nüchtern. In seinem Gesichtsausdruck lag nicht so sehr Furcht als tödliche Krankheit. Er machte eine Bewegung, wie wenn er aufstehen wollte; aber ich glaube, er hatte nicht mehr Kraft genug in seinem Leibe.
    »Na, Bill, bleibe nur ruhig sitzen,« sagte der Bettler. »Wenn ich auch nicht sehen kann, so kann ich dafür hören, wenn einer einen Finger rührt. Geschäft ist Geschäft. Strecke deine linke Hand aus. Junge, nimm seine linke Hand am Gelenk und bringe sie an meine rechte heran.«
    Wir gehorchten beide ihm auf den Buchstaben, und ich sah, wie er mit der Hand, die den Stock hielt, etwas in des Kapteins Hand legte, die sich sofort schloß.
    »Na, das ist also abgemacht!« sagte der Blinde; und mit diesen Worten ließ er mich plötzlich los und lief mit unglaublicher Sicherheit aus der Schenkstube heraus und auf die Straße. Ich stand regungslos da und hörte, wie das Auftappen seines Stockes sich allmählich in der Ferne verlor.
    Es dauerte eine ziemliche Zeit, bis der Kaptein und ich wieder zur Besinnung kamen; schließlich ließ ich sein Handgelenk los, das ich immer noch gehalten hatte, und er öffnete seine Faust beinahe in demselben Augenblick und warf einen scharfen Blick in die hohle Hand und rief:
    »Um zehn! noch sechs Stunden. Dann wollen wir sie noch anführen!«
    Er sprang auf. Aber in demselben Augenblick taumelte er, fuhr mit der Hand an seine Kehle, schwankte einen Augenblick hin und her und fiel dann, indem er einen sonderbaren Ton ausstieß, seiner ganzen Länge nach auf den Fußboden.
    Ich lief sofort zu ihm und rief nach meiner Mutter. Aber unsere Eile hatte keinen Zweck mehr. Der Kaptein hatte einen neuen Schlaganfall bekommen und war tot.
    Es ist merkwürdig: ich hatte gewiß diesen Mann niemals geliebt, wenn er auch in der letzten Zeit mir leid getan hatte; aber sobald ich sah, daß er tot war, brach ich in eine Flut von Tränen aus. Dies war der zweite Todesfall, den ich erlebte, und der Kummer um den ersten war noch frisch in meinem Herzen.

Viertes Kapitel
    Die Schifferkiste
    Natürlich erzählte ich meiner Mutter sofort alles, was ich wußte und was ich ihr vielleicht schon längst hätte erzählen sollen. Wir erkannten sogleich, daß wir uns in einer schwierigen und gefährlichen Lage befanden.
    Ein Teil von dem Geld des Kapteins – wenn er überhaupt welches hatte – gehörte ohne Zweifel uns; aber es war nicht wahrscheinlich, daß unseres Kapteins Schiffskumpane, von denen ich zwei Musterexemplare gesehen hatte, den Schwarzen Hund und den blinden Bettler, geneigt sein würden, ihre Beute herauszugeben, um damit die Schulden des Toten zu bezahlen. Wenn ich den Befehl des Kapteins befolgt hätte, mich sofort auf ein Pferd gesetzt und Dr. Livesey geholt hätte, so wäre meine Mutter allein und ohne Schutz geblieben; daran war natürlich nicht zu denken. Ebenso unmöglich erschien es uns beiden, noch viel länger im Hause zu bleiben; wir erschraken, wenn nur eine Kohle in der Küche raschelte, ja sogar vor dem Ticken der Wanduhr. Unsere Ohren glaubten in der Nachbarschaft Schritte zu hören, die sich unserm Haus näherten. Auf dem Fußboden der Schenkstube lag der Leichnam des Kapteins, und um ihn schwebte gewissermaßen die Gestalt des abscheulichen blinden Bettlers, der jeden Augenblick zurückkehren konnte. Fortwährend sträubten sich die Haare auf meinem Kopfe und ich bekam eine Gänsehaut, wie man zu sagen pflegt.
    Jedenfalls mußten wir schnell zu irgendeinem Entschluß kommen; und am Ende hielten wir es für das beste, beide miteinander das Haus zu verlassen und in dem nahen Dorfe Hilfe zu suchen. Gesagt, getan. Mit bloßen

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