Die Schmerzmacherin.
Pelz entlang. Pelz, sagte sie. Pelz. Das reguliere sich natürlich. Auf natürliche Weise. Das wäre auch ein Vorteil. Die Frau seufzte. Ein Vorteil. Das wäre nicht immer genug. Sie bräuchte Sicherheit in solchen Dingen und keine Vorteile. Dann lachte die Frau. »Aber deshalb arbeiten wir ja auch hier.« sagte sie. Sie nahm die Türklinke aus Amys Manteltasche und hielt sie ihr hin. Amy bedankte sich und nahm die Klinke. Die Frau ging um die Ecke. Es raschelte. Amy blieb vor ihrem Kasten stehen und schaute ihren Pelzmantel an. Er war schön und praktisch. Das Mammerl hatte ihn ihr gekauft. Eine junge Frau bräuchte einen ordentlichen Mantel, hatte sie gesagt, und sie waren zum Liska gegangen. In die billigere Abteilung. Das Mammerl glaubte an solche Sachen. Pelzmäntel und eine Perlenkette und schöne Koffer. Das Mammerl war seit Jahrzehnten nicht aus Wien hinausgekommen.
Das Rascheln. Was machte diese Person. Sie zog das Schlüsselband über den Kopf und sperrte den Mantel ein. Ihr handy brummte. Es war Gregory. Sie machte sich auf den Weg. Die Türklinke in der Hand. Die Frau stand im vorderen Gang der Blechkästen. Sie war nackt. Sie stand breitbeinig, und der Faden eines Tampons baumelte zwischen ihren Beinen. Die Frau hatte die Hände in die Hüften gestemmt und musterte ihre Oberschenkel. Sie seufzte. Sie winkelte das eine Bein am Knie an und beugte das andere. Sie ließ sich in diese Position gleiten und blieb so stehen. Sie sah lächelnd auf und verdrehte die Augen. Amy hob ihr brummendes handy hoch und ging zur Tür. Gregory fragte, wo sie denn bliebe. Sie komme ja schon, sagte sie. Sie komme ja schon. Sie drehte sich um. Die nackte Frau war auf ihr stretching konzentriert und sah nicht mehr auf. Die nackte Frau war besonders nackt. Die Schamhaare waren wegrasiert, und unter den Achseln der hochgereckten Arme war die Haut glatt.
Im Gang vom locker room zurück. Es war kalt ohne Mantel. Sie ging schnell. Das Geklapper ihrer Absätze. Hohe Absätze. Cindy schaute immer zuerst auf ihre hohen Absätze und wandte sich dann ab. Verächtlich grinsend. Cindy konnte mit so hohen Absätzen gar nicht gehen. Sie blieb stehen und schaute durch das sternenrissige Glas hinaus. Es waren aber nicht einmal Umrisse wahrzumehmen. Das dicke Glas zerriss alle Konturen in breite Streifen. Sie beugte sich zum Glas und schaute durch den Mittelpunkt eines dieser Sterne. Es wurde alles noch verschwommener, und ihr wurde schwindlig. Sie richtete sich auf und holte die kleine flask aus ihrer Tasche. Der Onkel Schottola hatte sie ihr geschenkt. Für ihre erste Amerikareise hatte er ihr diese flask geschenkt. Damals war sie mit Whisky gefüllt, und der Onkel Schottola hatte gesagt, dass er Whisky viel medizinischer fände als Cognac, und sie solle davon trinken, wenn sie sich den Magen verdorben hätte. Was ja auf Reisen unvermeidbar wäre. Er habe auf Reisen nur die schlimmsten Erfahrungen mit der Verträglichkeit des Essens gemacht, und ihn habe der Flachmann schon oft gerettet. Aber was wüsste er schon. Leute wie er. Leute, die in Stockerau lebten. Was könnten die schon wissen. Und dann kam der alte Scherz mit dem Jahr in Paris. Das Jahr in Paris kam dann immer. Nestroy. Aus dem »Lumpazivagabundus«. Und sie hatte sich geniert für den Onkel Schottola. Wie immer. Aber bei diesem Scherz. Sie hätte gänzlich versinken können. Warum eigentlich. Warum hatte sie sich für die Eltern Schottola mehr geniert als für die Betsimammi, für die Pflegeeltern mehr als für die eigene Mutter. Sie trank aus dem Flachmann. Aber was hatte sie sich geniert für die Eltern Schottola, und was hatte sie sich für das Mammerl geniert. Die Großmutter. Wenn die zu Besuch gekommen war, und was für eine Schmach war es dann gewesen, wenn die Betsimammi dann doch einmal zu den Mutterbesuchstagen aufgetaucht war und das Mammerl noch viel mehr auf sie gewartet hatte als sie. Und sie. Sie war immerhin die Tochter von der Betsimammi gewesen, und das Mammerl nur die Mutter von der. Sie war die Tochter gewesen und hätte sie gebraucht. Alle hatten immer gesagt, dass sie die Betsimammi gebraucht hätte. Aber das Mammerl hatte die Betsimammi mehr gebraucht als sie. Die Eltern Schottola waren schon in Ordnung gewesen. Sie nahm noch einen Schluck. So ausgemachte Eltern. Eltern, die so ein Kind aussuchten und in Pflege nahmen. Das war doch ohnehin der bessere deal. Da wussten alle, worum es ging, und die Tante Schottola hatte ihr immer genau vorgerechnet, wie
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