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Die Séance

Die Séance

Titel: Die Séance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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Trinken”, sagte sie. “Ehrlich.”
    Er lachte. “Ich meine die Gabe des zweiten Gesichts, du kleiner Frechdachs”, sagte er neckend. “Ich muss jetzt gehen, Christie. Aber mir geht’s gut. Das richtest du der Granma bitte aus, okay?”
    “Wo gehst du denn hin?”, fragte sie.
    “Wo es schön ist”, sagte er. “Wo es keine Kriege gibt, wo Gott nur Güte sieht, wenn er auf uns hinabschaut, nicht Religionen. Wo das Gras immer so grün bleibt wie damals in Eire.”
    Es machte ihr Angst, wie er redete. Sie hasste es, wenn jemand über den Tod sprach. Sie wusste, dass ihre Großeltern schon alt waren, dass alle Menschen älter wurden. Aber sie dachte immer, solange sie selbst fröhlich war und ihre Großeltern davon überzeugen konnte, sie wären noch jung, könnte nichts wirklich Schlimmes geschehen. “So ein schöner Ort?”, hänselte sie. “Da sollten wir alle mitkommen.”
    “Das geht jetzt nicht, noch nicht”, sagte er. “Alles zu seiner Zeit. Deine Granma wird eines Tages zu mir kommen. Bis dahin kümmere dich bitte um sie.”
    Er strich ihr noch einmal übers Haar. Dann runzelte er für einen Augenblick die Stirn und sah sich um.
    “Was ist denn, Granpa?”, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. “Ach, na ja, es ist alles neu für mich, aber wie’s scheint … tja, es gibt so viele Türen. Ich habe tatsächlich eine neue Tür geöffnet. Kein Grund zur Sorge, Püppchen.” Er drückte sie an sich, lächelte zärtlich. “Vergiss nicht, was ich dir alles gesagt habe, mein kleines Mädchen.” Er steckte sie wieder ins Bett und begann ein altes Wiegenlied zu singen. Granpa hatte eine tolle Stimme. Er war nie öffentlich aufgetreten – außer in Pubs –, aber er hätte Karriere machen können, dachte sie stolz. Er selbst hielt überhaupt nichts von seinem Talent – seiner Ansicht nach konnten alle irischen Männer Tenöre werden, wenn sie das wollten.
    Während er ihr etwas vorsang, sank sie wieder in tiefen Schlaf.
    Am Morgen hörte sie leises Weinen aus dem Salon. In diesem Haus gab es einen Salon, nicht bloß ein Wohnzimmer, wie bei ihr daheim in Miami. Ihre Großeltern hatten das Haus gekauft, lange bevor ein Großteil von Orlando erst von der Disney Company aufgekauft worden war, dann von Hotel- und Restaurantketten und anderen Firmen der Unterhaltungsindustrie. Es war eins der wirklich historischen Häuser in der Gegend, eins der wenigen, die schon vor dem Bürgerkrieg erbaut worden waren – oder vor dem Überfall des Nordens, wie manche von Opas Freunden den Bürgerkrieg gern nannten. Es war schon fast eine Ruine gewesen, als sie es fanden, und deshalb hatten sie es sich überhaupt nur leisten können. Sie nannten es ein viktorianisches Herrenhaus. Christies zwei Cousins fanden es gruselig – obwohl sie Jungs waren. Sie selbst liebte es – aber schließlich liebte sie auch ihre Großeltern, und die bestanden nie darauf, dass sie abends alle Lichter löschte.
    Jetzt war heller Tag. Aber selbst von ihrem Schlafzimmer in der ersten Etage konnte sie leises Schluchzen unten im Salon hören.
    Sie sprang aus dem Bett und eilte zur Treppe. Zuerst hörte sie die Stimme ihres Vaters. “Mary, Seamus hat jetzt seinen Frieden. Er hat seinen Frieden.”
    “Sei doch still, Sean”, sagte ihre Mutter zu ihrem Vater. “Mom weiß das. Wir weinen alle bloß, weil wir ihn so sehr vermissen.”
    Granma blickte plötzlich die Treppe hoch, sie wirkte traurig, aber stark. Granma wirkte immer stark. Sie streckte die Arme aus. “Christie, Kind.”
    Christie rannte die Treppe hinunter, setzte sich bei ihrer Großmutter auf den Schoß und umarmte sie. “Granma? Was ist passiert?”
    “Granpa. Er – er ist von uns gegangen.”
    “Gegangen?”, fragte Christie, zog eine Schnute. Dann rollte die Erinnerung an letzte Nacht über sie hinweg wie eine Welle. “Ach … er hat mir erzählt, dass er gehen müsste.”
    Eine merkwürdige Stille machte sich breit. “Als du an seinem Bett gestanden hast, Christie?”, fragte ihr Vater.
    “Nein, Dad. Letzte Nacht. Er war in meinem Zimmer, rauchte seine Pfeife, saß in dem Schaukelstuhl. Er sagte mir, dass er gehen müsste und dass du ihn dort eines Tages wiedersehen wirst, Granma. Er sagte, ich muss immer für dich da sein. Er sagte, da wäre es grün, wie in Eire. Und …”
    Wieder Stille. Kurz darauf klingelte es an der Tür. Ihre Großmutter schob Christie von ihrem Schoß, als der Notarzt und die Polizei hereinkamen. Christie schnitt eine Grimasse und fragte sich,

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