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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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bediente, um in unsere Stadt einzudringen? Um einen Spion in unsere Mitte einzuschleusen, um unsere Autorität zu untergraben und um womöglich gar an sich zu bringen, was rechtmäßig uns gehört?«
    »Es wäre nicht gegen das Gesetz«, erklärte Kant.
    »Eigentlich«, überlegte Tirstan, »verriete es großen Einfallsreichtum.«
    »Wenn du jedoch«, fuhr Kant fort, »Gansang verlassen möchtest, um dich auf die Suche nach dieser Person zu begeben, dann lass dich bitte von uns nicht aufhalten. Tirstan und ich sind gern bereit, uns während deiner Abwesenheit um die Stadt zu kümmern.«
    In Tamils Augen blitzte es zornig auf.
    Tirstan verkniff sich ein Lächeln.
    Dann bewegte Kant die Hand über dem Leichnam und murmelte kaum hörbar einen Bindezauber. Ein Zucken durchlief den Körper, dann zog sich das Fleisch zusammen: Wasser strömte heraus, zuerst nur ein Rinnsal, dann ein Sturzbach, der sich auf allen Seiten des Tisches über den Boden ergoss. Als die Flut endlich zum Stillstand kam, lag nur noch ein Häufchen Asche auf der Eichenplatte.
    Tirstan entfernte die magische Hülle, die den Leichnam umschlossen hatte, ein bestialischer Gestank stieg auf, der jedoch vom nächsten Luftzug rasch davongetragen wurde. Mit einer Handbewegung beschwor Tamil einen stärkeren Wind, der auch die Asche aufnahm, sie durch die Fenster hinauswehte und über der Stadt verstreute.
    »Damit sind wir hier wohl fertig?«, fragte er.
    Wenig später verließen drei große Vögel den hohen Turm und schwebten zurück zu verschiedenen Punkten der Stadt.
    In einem Wald ohne Namen in einem Kreis, der sorgfältig von allem Unterholz befreit war, brannte ein Feuer.
    Kamala starrte lange in die Flammen, dann zog sie unter ihrem Umhang einen Lederbeutel hervor, öffnete ihn und schüttete eine Handvoll Edelsteine auf ihre flache Hand: Sternsaphire im Cabochonschliff, Diamanten im Quadratschliff und eine mit Flussperlen besetzte Goldbrosche.
    Sie zögerte eine Weile. Wer ein Leben lang arm gewesen war, tat sich schwer damit, solche Reichtümer einfach fortzuwerfen, aus welchem Grund auch immer. Für einen Moment war sie in Versuchung, die Steine zu behalten, und sei es nur zum Andenken.
    Aber sie waren gefährlich. Zu gefährlich. Sie hatte sie an jenem Abend getragen – hatte ihre Macht eingesetzt, während sie sie trug – und deshalb hafteten ihnen nicht nur Spuren von Ravis, sondern auch von ihrem Wesen an. Das Kleid war ein anderer Fall: indem sie es mit dem Blut ihres bäuerlichen Opfers tränkte, hatte sie ihm Spuren vom Tod der Trägerin aufgeprägt, die so stark waren, dass ihre eigenen nahezu überdeckt wurden. Edelsteine trotzten einer solchen Behandlung.
    Immerhin war es ein echter Selbstmord gewesen. Das würden sie doch hoffentlich feststellen, wenn sie den Leichnam genauer untersuchten!
    Aber wenn du dich nicht von den Steinen trennst, war alle Mühe vergeblich.
    Sie schloss die Hand um die kostbaren Juwelen und murmelte einige Worte der Macht. Als sie die Hand wieder öffnete, enthielt sie nur noch Sand. Den warf sie ins Feuer und setzte ihn mit ihren Kräften in Brand; als das Feuer endlich erlosch, blieb nur Asche zurück, die genau so aussah wie überall, wo einmal ein Feuer gebrannt hatte.
    Erst als die Glut erkaltet war, verließ Kamala die Lichtung und kehrte der Stadt ihrer Kindheit den Rücken.

Kapitel 28
    »Willkommen, mein Lehrer.«
    Colivar strich sich das lange schwarze Haar zurück, das ihm der Wind ins Gesicht geweht hatte, und betrachtete den Landeplatz, den sein ehemaliger Schüler ausgewählt hatte. Von der Hügelkuppe, auf der sie standen, sah man auf einer Seite über die Wildnis des Nordens, schroffe Granitberge mit niedrigen Kiefern, die sich zäh an die unteren Hänge krallten, und weißen Schneekappen auf den Gipfeln. Auf der anderen Seite lag ein Tal mit einem Flusslauf in der Mitte, in das sich eine kleine Siedlung schmiegte. Schmale Fenster, viele Schornsteine und steile Dächer verrieten, dass es sich um eine Region handelte, wo der Schnee und die allgegenwärtige Kälte das Denken der Menschen beherrschten. Dabei gab es auch Ortschaften, die noch viel weiter nördlich lagen als dieses gottverlassene Dorf, in noch unwirtlicheren Gegenden … doch dort konnten angeblich nur Magister und Hexen überleben.
    Colivar schlug sich den Gedanken energisch aus dem Kopf. Der Anblick weckte zu viele Erinnerungen, darunter einige, die er lieber aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte. Das war der Nachteil, wenn man

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