Die Seelenzauberin
anderer Gott erwähnt als der deine. Nur die Geschichte der Menschen wird erzählt – über Jahrhunderte –, bis zurück zum Ersten Königtum.«
»Und diese Epoche hatte zwar für viele Menschen viele verschiedene Bedeutungen, Mutter – wir könnten jahrelang darüber debattieren, ohne zu einer Einigung zu finden –, aber eines ist unstrittig: Was immer die Ersten Könige taten, letztlich wurden die Dämonen ausgeschickt, um sie zu bestrafen, und die Menschheit wurde für Jahrhunderte zurückgeworfen in die Finsternis. Man könnte sagen, wir fangen erst an, uns von diesem Schlag zu erholen. Ist es nicht so?« Als sie nicht antwortete, fragte er: »Willst du wirklich, dass ich den Beginn meiner Herrschaft mit dieser Schreckenszeit verbinde?«
»Dein Vater hat es getan«, sagte sie kalt. »Und er war ein großer König.«
Zum ersten Mal, seit er in den Palast gekommen war, flog ein Schatten des Zorns über seine Züge. »Mein Vater verbrachte seine letzten Tage unter dem Einfluss eines Dämons. Das sollten wir niemals vergessen. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Dämonen inzwischen auch an anderen Orten gesichtet werden. Diese Welt steht kurz davor, ins Verderben zu stürzen, und zumindest ich gedenke nicht, das zu verdrängen.«
Er holte tief Luft, schloss kurz die Augen und beruhigte sich mit einem leisen Gebet. Dann streckte er ihr die Stola entgegen. »Vergiss die Ruhmestaten der Vergangenheit. Wir werden neue vollbringen. Gib eine Stola in Auftrag, auf der die Triumphe meines Vaters und seiner königlichen Vorgänger verewigt werden. Aber nicht weiter als bis zu den Finsteren Zeiten. Mehr verlange ich nicht.«
Sie zögerte, dann nickte sie knapp und nahm ihm die Stola ab. »Aber du wirst doch wenigstens Seide tragen? Irgendetwas, das deinem Rang entspricht? Nicht diesen …« Sie deutete auf seine Mönchskutte. »… Sack .«
Ein Lächeln machte seine Züge weicher. »Es ist Wolle, Mutter, aber keine Sorge. Ich werde die teuerste Seide tragen, die du beschaffen kannst, und wenn du willst, stecke ich mir auch noch eine Feder an den Hut. Schmücke den Boden mit kostbaren Edelsteinen, und ich werde in goldenen Schuhen darüber gehen, und meinetwegen kannst du mir auch von Tänzerinnen Rosenblätter streuen lassen.« Seine Miene verdüsterte sich; er strich mit einer Hand über die Stola. »Nur verlange nicht von mir, dass ich das Zeitalter der Sünde verherrliche. Das wäre wie eine Aufforderung an den Zerstörer, uns abermals zu bestrafen. Sollte so die Herrschaft eines neuen Königs beginnen?«
Sie biss sich auf die Unterlippe. Dann strich sie mit einem Seufzer die zarten Stickereien glatt und legte die Stola zusammen. »Du bist ebenso eigensinnig wie dein Vater, weißt du das?«
»Ja.« Er nickte. »Und wenn ich nicht so wäre, hättest du mich niemals aufgefordert, seine Krone zu tragen. Nicht wahr?«
»Im Palast ist genügend Platz für Eure Vasallen«, meldete Jan Cresel, »vorausgesetzt, sie bringen kein großes Gefolge mit. Aus diesem Grund könnten einige es vorziehen, auf freiem Feld zu lagern. Das sollte man nicht als Kränkung werten. Schon die Einladung darf nicht so formuliert sein, dass jemand, der sich dafür entscheidet, sich angegriffen oder zu einer anderen Verhaltensweise genötigt fühlt. Manche Fürsten entfernen sich keine zehn Meilen von zu Hause, ohne von einer regelrechten Armee begleitet zu werden; sie werden viel Platz brauchen, um sich auszubreiten und eine Vorstellung zu geben, die ihres Gefolges würdig ist.«
»Sie wollen ihre Türme bauen«, sagte Salvator leise.
»Die Einladungen werden entsprechend taktvoll abgefasst«, versprach Gwynofar. »Wie immer.«
»Ihr habt noch andere Namen auf der Liste«, stellte Salvator fest.
Cresel nickte. »Verbündete von Danton, die auf ein deutliches Zeichen dafür warten, dass Ihr – jedenfalls, soweit es sie betrifft – in seine Fußstapfen zu treten gedenkt. Wenn wir ihnen Räume im Palast anbieten, werden sie das als Gunstbeweis werten, und es wird dazu beitragen, dass sie Euch die Treue halten, anstatt auf die Schmeicheleien Eurer Feinde hereinzufallen. Denkt jedoch daran, dass jeder, der Eure Einladung annimmt, sich Hoffnungen machen wird, irgendwann im Lauf der Festlichkeiten unter vier Augen mit Euch sprechen zu können. Die einen werden nur Bestätigung suchen, andere …« Er zögerte.
»Andere wollen sehen, ob der neue Großkönig leichter zu beeinflussen ist als sein Vater.« Er lächelte schwach. »Seht Ihr,
Weitere Kostenlose Bücher