Demon Lover
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In einer Bibliothek, bis zur Decke vollgestopft mit Büchern, wie sie weltweit in keiner anderen öffentlichen Sammlung zu finden waren, stand ein vereinzeltes Lesepult aus Metall. Darauf lag unter einer Glasabdeckung ein Buch mit Ledereinband. Der Titel, geschmückt mit einem verblassten Pentagramm, das einmal in einem tiefen Karminrot eingeprägt worden sein mochte, war kaum mehr lesbar: DELO MELAS .
Zur Beschwörung der Finsternis …
Als Kendra Carter das Buch betrachtete, spürte sie ein Prickeln im Nacken. «Jetzt sag nicht, du hast es gefunden.»
Gerald Carter lächelte. «Doch. Das Buch, das du da vor dir siehst, ist eins der letzten Exemplare von
Diener im Reich der Finsternis
.»
Ein Prickeln lief Kendras Rücken hinunter und verursachte ihr eine Gänsehaut. «Ich dachte, es gäbe überhaupt keine Exemplare mehr davon.»
«Eins ist vor ein paar Wochen auf den Markt gelangt», erklärte er. «Der Besitzer wollte es unbedingt verkaufen.»
Kendra musterte ihn. «Und du musstest es gleich erwerben», bemerkte sie trocken.
Er überhörte einfach ihre Missbilligung. «Sehr richtig. Weißt du, weshalb das Buch von Sammlern dämonologischer Werke so geschätzt wird?»
Kendra schüttelte den Kopf. «Nein, weiß ich nicht.» Geralds Interesse am Übernatürlichen hatte sie noch nie geteilt. Die Sammlung von Werken mit Dämonen- und Hexenbezug ihres Stiefbruders beunruhigte sie. Zu seiner Sammlung gehörten auch verschiedene Kultgegenstände, darunter eine eindrucksvolle Kollektion von zeremoniellen Dolchen aus aller Welt. Wie das Buch waren sie hinter Glas verschlossen. Die ganze Sammlung hatte einen unschätzbaren Wert.
«Dieses Buch ist deshalb so kostbar, weil es angeblich auf eine Schrift zurückgeht, die der Teufel persönlich verfasst hat, nachdem Jesus im Garten von Gethsemane seiner Versuchung widerstanden hat», erklärte Gerald. «Der Ursprungstext des
Delomelanicon
befindet sich angeblich seit der Ankunft des heiligen Petrus in Rom in päpstlichem Besitz. Was du hier vor dir siehst, ist eine der wenigen erhaltenen Ausgaben, die Papst Alexander der Sechste 1495 in Auftrag gab, vermutlich eine Abschrift des Originals.»
Kendra hob die Brauen. Dieser Name weckte eine Erinnerung. «Der Borgia-Papst?», fragte sie und dachte an eine Vorlesung über Religion und Kultur, die sie auf dem College besucht hatte.
Geralds Stirnrunzeln machte einem anerkennenden Lächeln Platz. «Ja, genau. Das Buch ist fünfhundertvierzehn Jahre alt. Das allein macht es schon zu einer Rarität und ist das Geld wert.»
«Ich bin nicht blöd», meinte Kendra eingeschnappt. Jetzt kamen sie allmählich zum entscheidenden Punkt, nämlich dem Preis, den er für seine Neuerwerbung gezahlt hatte.
«Das habe ich auch nicht behauptet.» Gerald streckte die Hände zu dem Buch aus, ballte dicht über den durch das Glas geschützten empfindlichen Seiten die Fäuste. «Aber das ist schon ein Hauptgewinn – man könnte sagen, die
unheilige
Bibel. Von den dreizehn Exemplaren, die Papst Alexander für seine Privatsammlung in Auftrag gab, wurde nach der Heiligen Inquisition nur ein halbes Dutzend aufgespürt.»
Kendra seufzte. Offenbar hatte er seine Hausaufgaben gemacht. «Du scheinst dich in Geschichte gut auszukennen.»
Gerald lächelte belustigt. «Ich habe über zehn Jahre gebraucht, um die Geschichte des Buches zu recherchieren und seine Echtheit zu bestätigen», sagte er. «Von den anderen sechs verbliebenen Bänden befinden sich vier im Besitz privater Sammler, und die halten sie unter Verschluss.»
Die Rechnung war simpel. «Somit bleiben noch zwei Bücher übrig.»
Gerald nickte ernst. «Interessanterweise ist das fünfte Buch 1933 angeblich Hitler in die Hände gefallen. Es ist bekannt, dass er sich für das Okkulte interessierte und es bei seinem Aufstieg zur Macht zu manipulativen Zwecken nutzte. Unbestätigt ist hingegen, dass das Buch seit Kriegsende in den deutschen Kriegsarchiven unter Verschluss gehalten wird und niemand es mehr zu Gesicht bekommen hat.»
Somit blieb ein einziges Buch übrig. «Ich nehme an, das hier ist das sechste Buch, das letzte, das noch verfügbar war?»
«Ja.» Gerald strahlte vor Genugtuung. «Dank der Überzeugungskraft von zwei Millionen Dollar befindet sich das
Delomelanicon
jetzt im Besitz der Carters.»
Kendra fiel die Kinnlade herunter. Sie hatte zwar schon vermutet, dass er mächtig hatte blechen müssen, doch mit einer so gewaltigen Summe hatte sie
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