Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
School of Design vor dem Bankrott bewahrte, indem ich einen vierundzwanzig Stunden langen Errol-Flynn-Filmmarathon organisierte, falls das zählt. Aber ich weiß genau, welche Dinge Penumbra offensichtlich falsch macht – nämlich Dinge, die er gar nicht macht.
Zum Beispiel Marketing.
Ich habe einen Plan. Zuerst werde ich mich mit ein paar kleinen Erfolgen bewähren, dann um ein Budget bitten, mit dem ich Anzeigen drucken kann, ein paar Poster ins Schaufenster hängen, vielleicht sogar mit einem Werbebanner in der Bushaltestelle draußen, nur ein paar Schritte weiter, groß herauskommen: W ARTEN S IE AUF DEN B US? K OMMEN S IE REIN UND WARTEN S IE BEI UNS! Auf meinem Laptop lasse ich die Seite mit dem Bus fahrplan geöffnet, damit ich den Kunden Bescheid sagen kann, dass der nächste in fünf Minuten kommt. Das wird genial.
Aber ich muss klein anfangen, und weil keine Kunden kommen, um mich abzulenken, stürze ich mich in die Arbeit. Als Erstes wähle ich mich über den nicht gesicherten Wi-Fi-Anschluss nebenan, der bootynet heißt, ins Netz ein. Dann nehme ich mir nacheinander die Seiten mit Empfehlungen in der Nachbarschaft vor und schreibe glühende Besprechungen über dieses verborgene Kleinod. Ich schicke freundliche E-Mails mit zwinkernden Emoticons an Blogs aus dem Viertel. Ich gründe eine Facebook-Gruppe mit nur einem Mitglied. Ich melde mich bei Googles mega-umstrittenem Kleinanzeigen-Programm an – dasselbe, das wir bei NewBagel verwendet haben –, mit dem man seine Zielgruppe geradezu abartig präzise einkreisen kann. Ich verwende Merkmale aus dem umfangreichen Formular von Google:
lebt in San Francisco
mag Bücher
Nachtschwärmer
zahlt bar
hat keine Stauballergie
mag Wes-Anderson-Filme
GPS -Treffer jüngeren Datums im Umkreis von fünf Blocks
Ich kann nur zehn Dollar dafür ausgeben, also muss ich spezifisch sein.
Das betrifft alles die Nachfrage. Aber ich muss mich auch ums Angebot kümmern, und Penumbras Angebot ist, gelinde gesagt, willkürlich – was aber nur ein Teil der Wahrheit ist. Buchhandlung Penumbra vereint, wie ich jetzt weiß, eigentlich zwei Läden in einem.
Es gibt die mehr oder weniger normale Buchhandlung im vorderen Bereich, eingepfercht in den engen Raum links und rechts neben dem Schreibtisch. Dort stehen niedrige Regale, die als Abteilungen für G ESCHICHTE und B IOGRAFIE und L YRIK ausgegeben werden. Darin findet man Aristoteles’ Nikoma chische Ethik und Trevanians Shibumi . Diese mehr oder weniger normale Buchhandlung ist unsortiert und frustrie rend, aber wenigstens mit Büchern bestückt, die man in einer Bibliothek oder im Internet finden könnte.
Die andere Buchhandlung versteckt sich im rückwärtigen Teil des Ladens, die Ware stapelt sich auf hohen, mit Leitern bestückten Regalen, und sie beherbergt Werke, die, soweit Google weiß, nicht existieren. Glauben Sie mir, ich habe gesucht. Viele von ihnen machen einen altertümlichen Ein druck – rissiges Leder, Titel in Goldprägung –, andere wiederum sind neu gebunden, mit bunten, makellosen Umschlägen. Also sind nicht alle steinalt. Sie sind nur alle … einzigartig.
Diese Abteilung nenne ich die »Ladenhüter«.
Als ich anfing, hier zu arbeiten, hielt ich sie alle bloß für Produkte aus Kleinverlagen. Titel obskurer Amish-Verlage, die sich für die Digitalisierung nicht erwärmen können. Oder ich dachte, es seien sämtlich Publikationen im Selbstverlag – eine ganze Sammlung aus handgebundenen Unikaten, die es nie in die Library of Congress oder sonst wohin geschafft haben. Viel leicht war Penumbras Laden ja so eine Art Waisenhaus.
Aber nach einem Monat meiner Tätigkeit als Buchhändler habe ich allmählich den Eindruck, dass es ein bisschen komplizierter ist. Zu dem zweiten Laden gehört nämlich auch ein zweiter Kundenstamm – eine kleine Gemeinschaft von Leuten, die den Laden umkreisen wie unbekannte Monde. Sie sind kein bisschen wie North Face. Sie sind älter. Sie tauchen mit algorithmischer Regelmäßigkeit auf. Sie stöbern nie. Sie kommen in hellwachem, vollkommen nüchternem Zustand herein und beben vor Ungeduld. Zum Beispiel:
Das Glöckchen über der Tür bimmelt, und noch bevor es wieder verstummt, ruft ein atemloser Mr. Tyndall: »Kingslake! Ich brauche Kingslake!« Dann nimmt er die Hände vom Kopf (ist er wirklich die Straße heruntergerannt und hat dabei die ganze Zeit die Hände an den Kopf gehalten?) und krallt sie in meine Schreibtischkante. Dann wiederholt er in einem Ton,
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