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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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meinetwegen auch unten auf dem Unterdeck. Oder in den Gärten, mit Blick auf die gewaltigen Sonnensegel und die vorbeiziehenden Sterne. Jeder einen Schuss. Johann glühte vor Aufregung, als er sich vorstellte, wie Lilly ihm dankbar um den Hals fallen würde, voller Bewunderung für seinen Heldenmut und sein großartiges Augenmaß. »Deine Hand hat noch nicht einmal gezittert«, würde sie hauchen und ihm einen Kuss geben. In der Kolonie würde sie seine Frau sein und ihm Kinder schenken, die Macht der Familie stärken.
    Wenn er nicht vorher verhaftet würde. Duelle waren, auch für Kolonisten, seit den Unruhen im Jahre sechs der Reise verboten worden und wurden mit dem Tode bestraft. Das gleiche galt für das Tragen von Waffen.
    Wie soll ich ihn denn töten, wenn ich keine Waffe nutzen darf? , heulte es in Johann auf und er ging entmutigt die Promenade weiter entlang. Als er von Ferne einen Freund erkannte, bog er schnell in einen Seitengang ab, der ihn wieder hinunter brachte in die Maschinenebene. Er hatte lange genug auf dem Schiff gelebt, um die meisten Bereiche zu kennen.
    Dann stand er vor der Tür, die zum Maschinendeck führte. Die schwere Stahltür war gerade so groß, dass man gebückt hindurchsteigen konnte. Große Nieten verstärkten die Seiten und in der Mitte der Tür, direkt unter dem Schild »Zugang verboten«, ragte das wuchtige Ventilrad aus dem Stahl heraus. Vorsichtig drehte Johann daran. Sofort hörte er das zischende Geräusch als der Druck entwich. Dann schienen mächtige Riegel durch neuen Dampfdruck zur Seite geschoben zu werden, klackend griffen Zahnräder ineinander und mit einem leisen »Pfff« bewegte sich die Tür.
    Der Lärm überflutete ihn, als er die kleine Schleuse zum Maschinendeck aufzog und hindurch schlüpfte. Kurz sah er sich um, konnte aber keinen der Machinaisten sehen.
    Das Maschinendeck war die Heimat der Machinaisten, selten sah man sie auf den anderen Ebenen, außer zu offiziellen Anlässen, wie dem Gottesdienst, den sie regelmäßig gaben.
    Langsam und vorsichtig ging er über den schmalen Steg, der ihn durch die lange Röhre führte. Die Luft war heiß und stickig. Das wenige Licht schien von kleinen Lampen zu kommen, die in die Wände eingelassen waren, doch womit sie gespeist wurden, konnte er nicht erkennen. Überall schien sich etwas zu bewegen. Riesige Schrauben wälzten sich durch eine träge Flüssigkeit, schoben sie durch das komplexe Rohrsystem, dass hier seinen Anfang nahm und sich wie Blutgefäße durch den gesamten Schiffskörper zogen. Stampfend fuhren Kolben auf und nieder, angetrieben durch den Dampf, der in den Kesseln erzeugt wurde. Damit die ewigen Feuer der Kleine Hoffnung nicht erloschen und das ganze Schiff in einen tödlichen Eispanzer gehüllt wurde, benötigte es permanenten Nachschub mit Brennmaterial. Johann sah von seinem Steg hinab in die Tiefe des Maschinendecks. Unter ihm rauschte unablässig das Förderband, das die Kohle aus dem Raumtender nach vorn zu den Maschinen brachte. Im Moment war nur ein Förderband aktiv, doch sobald die Kleine Hoffnung in die Nähe der Kolonie käme, würden alle Maschinen wieder hochgefahren und die Förderbänder würden mit maximaler Leistung die letzten Energiereserven transportieren. Doch soweit war es noch nicht.
    Johann spürte das Hämmern der Kolben tief in seinen Eingeweiden. Hier war er gerne, wenn er nachdenken musste. Die rauch- und ölgeschwängerte Luft benebelte sein Hirn und besänftigte seine Gedanken.
    Als er weiter ging, um zum nahegelegenen Aufstieg in die Kolonistenebene zu gelangen, blieb er schließlich noch einmal stehen. Er betrachtete die großen stählernen Walzen, die die Kohlebrocken zertrümmerten und in kleine, gleichgroße Stücke hackten. Riesige Hebel bewegten die Zahnräder, die die Rollen in einer gleichmäßigen, unabdingbar brutalen Bewegung hielten. Nichts und niemand konnte dieses Uhrwerk stoppen.
    Alles was hier in die Räder gerät, wird zermalmt, dachte er. Wenn hier ein Mensch hineinfallen würde …
     
    »Im Namen der Maschine und der Schwærkræft. Was machen Sie denn da?« Ein Machinaist hatte sich Johann genähert. Es war zu spät, um einfach wegzulaufen, und auch die überhebliche Arroganz der oberen Klasse, mit der Johann normalerweise auf Überraschungen zu reagieren pflegte, war hier nicht angebracht. Die Machinaisten waren die höchste Macht auf dem Schiff, selbst der Kapitän hatte sich ihrem Urteil zu beugen. Sie waren mehr als reine Mechaniker. Sie

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