Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
einfach reinlegen? Verraten? Da habt ihr Euch geschnitten.« Eugenes Stimme schnitt durch die Stille des Maschinendecks.
Johann fuhr auf, Lilly kreischte. »Das wagst du nicht«, knurrte Johann den Zuhälter an.
Doch der ignorierte ihn und zeigte mit dem Finger auf die Frau. »Lilly, komm her. Sofort.«
Johann legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte sie zurück auf den Boden. »Nicht«, sagte er. »Noch zwei Minuten, dann kann er uns nichts mehr.«
Doch Eugene lachte. »Du dummer Junge. Was denkst du dir denn? Sie gehört mir, wird immer mir gehören. Sie mag zwar deine Frau sein, aber ich werde dafür sorgen, dass du für sie blechen musst, wenn du sie besteigen willst. Und nicht nur du. Sie ist mein bestes Pferd im Stall, dass lass ich mir von dir nicht wegnehmen.«
In Johann kochte der Zorn hoch. Der Gedanke, dass Lilly mit anderen Männern ... dann wäre alles umsonst gewesen. Die heimliche Hochzeit, die Erniedrigung durch den Vater. Ein zweiter Gong ertönte und Johann zwang sich zur Ruhe. Noch eine Minute. Den Rest würde sein Vater regeln. Doch Eugene schien seine Gedanken lesen zu können.
»Du Träumer! Unselbstständiges Kind, das du bist. Dir wurde alles in die Wiege gelegt. Andere müssen um ihr Leben kämpfen.« Er kam näher, sein Grinsen wurde breiter. »Glaubst du wirklich, Dein Vater könnte das regeln? Mich mundtot machen? Ich lasse mich nicht aushebeln.« Das Uhrwerk tickte weiter, fünfundvierzig Sekunden schätzte Johann. Ruhig bleiben, schalt er sich. Doch Eugene war noch nicht zu Ende.
»Als deine Schwester im Opiumrausch in meinem Hinterzimmer starb, habe ich dabei zugesehen. Danach bin ich zu deinem Vater gegangen und habe die Schulden eingetrieben, die sie bei mir hatte. Ich hatte ja ihren Leichnam als Pfand.« Eugene grinste. »Die Schande wäre ihm doch zu groß gewesen. Was glaubst du nun, wie er sich verhalten wird, wenn ich durchblicken lasse, welche Vergangenheit die süße Lilly mit in die gute Familie gebracht hat? Trägt sie ein Kind unter dem Herzen? Aber ist es auch deins, Johnny?«
Etwas setzte in Johann aus. sprang auf und stürmte auf Eugene zu. Dieser erstarrte, sein Lächeln gefror zu Eis. Johann rammte ihm die Schulter in den Magen, brüllte auf und schob ihn zum Rand der Brücke. Unter ihnen toste das Förderband vorbei, schob unablässig große und kleine Brocken Kohle in die malmenden Walzen. Eugene ruderte mit den Armen, um sein Gleichgewicht zu halten. Dann, mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck, rutschte er langsam und fiel, wie in Zeitlupe, nach hinten. Er fiel, schien einen Moment in der Luft zu verharren, dann stützte hinunter auf den endlosen Strom aus Kohle.
Johann sah nicht mehr, wie der Körper aufschlug, weil ihn ein Machinaist mit einem Fluch auf den Boden warf. Lilly schrie auf. Unter ihnen, außer Sicht, knirschte es hässlich weich.
Das Uhrwerk tickte weiter, unbeeindruckt von den Ereignissen.
»Wartet!«, rief Johann, als die hinzugerufenen Machinaisten ihn wegzerren wollten. Mit aller ihm verbliebenen Kraft kämpfte er sich frei, warf sich auf Lilly und klammerte sich an sie. Die Wachen warfen sich wiederum auf Johnny und rissen ihn auf die Beine, zogen seinen Kopf nach hinten und fesselten seine Hände auf den Rücken, bevor sie ihn wieder zu Boden drückten. Johnny kniete neben Lilly. In dem Moment erklang der Gong.
Der leitende Machinaist trat nach vorne und legte Johnny und Lilly die Hände auf den Kopf, dann zeichnete er jedem mit Maschinenöl einen kleinen Kreis auf die Stirn. »Im Namen der Maschine erkläre ich Euch zu Mann und Frau. Ihr seid verheiratet.«
Johnny erschlaffte und gab jeden Widerstand auf.
Drei
»Man hat nur noch seinen rechten Arm gefunden.« Der Vater stand mit gramerfülltem Gesicht in der Zelle, als die Machinaisten kamen, um Johann zu holen. »Wieso hast du nicht gewartet?«
Johann schwieg, sah seinen Vater nicht an. Das letzte, was er in seinen letzten Minuten vor der Vollstreckung des Urteils hören wollte, waren Vorwürfe.
»Kümmert Euch um Lilly. Ich bitte Euch.«
Der Vater schwieg, und die Machinaisten zogen Johann an der schweren Eisenkette, die seine Hände fesselten hinaus. Mord war das schwerste Verbrechen auf der Kleine Hoffnung. Jeder Mensch wurde gebraucht in den Kolonien. Und ein Menschenleben auszulöschen bedeutete, die Gemeinschaft zu schwächen. Paradoxerweise wurde man dafür mit dem Tode bestraft.
Es waren viele zur öffentlichen Hinrichtung gekommen. Der große Saal
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