Die Stimme der Jägerin (German Edition)
an. »Ich will doch nur ein Bier trinken.«
Als sie aufbrach, ließ der Sandsturm bereits langsam nach. Sie nahm ihre Glock mit, aber auf dem Parkplatz der ersten Bar ließ sie die Waffe nach einiger Überlegung doch im Handschuhfach zurück.
Drinnen trank sie ein alkoholfreies Bier, unterhielt sich mit den Einheimischen und erfuhr so einiges.
Die Einwohnerzahl auf dem Ortseingangsschild von Nirvana war irreführend, denn sie schloss die Einwohner aus dem ganzen Landkreis Nirvana mit ein. Im Ort selbst lebten etwa fünfhundert Personen, die allesamt entweder direkt für das Minenunternehmen arbeiteten oder über ihre Geschäfte im Ort irgendwie indirekt damit zusammenhingen.
Erbaut auf einer unterirdischen Quelle und in der Nähe der Mine, war Nirvana eine der vielen kleinen Ortschaften, die einst eine Haltestelle der transkontinentalen Eisenbahn gewesen waren. Jetzt war es eine Haltestelle für Greyhound-Busse. Der Ort war stolz auf seinen eigenen Safeway-Supermarkt, und es gab zwei Bars, je eine an jedem Ende der Hauptstraße. Außerdem gab es zwei Motels, drei Tankstellen und ein Familien-Diner mit Casino direkt an der Abfahrt von der Interstate.
Eine der Tankstellen war eine Kombination aus LKW -Raststätte, Fastfood-Laden und Casino und hatte rund um die Uhr geöffnet. Wäre Claudia nicht in so düsterer Stimmung gewesen, hätte sie vielleicht darüber gelächelt. Man konnte essen, tanken und spielen, alles gleichzeitig. Nur für den Fall, dass man es mit allen drei Dingen eilig hatte.
Eine andere Tankstelle verkaufte Spirituosen und betrieb einen kleinen Videoverleih. Die dritte hatte noch keine erfolgversprechende Nische entdeckt, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Claudia erinnerte sich, die Tankstelle vorhin gesehen zu haben. Sie hatte schäbig und heruntergekommen gewirkt.
Das Wichtigste, was sie in Erfahrung brachte, war das Aussehen von Bradshaw Junior und seinen Jungs. Sobald sie diese Beschreibungen hatte, bezahlte sie ihr Getränk und fuhr die Hauptstraße entlang zur anderen Seite des Ortes.
In der zweiten Bar landete sie den Volltreffer.
Sie war kaum durch die Tür, da hatte sie sie schon entdeckt. Vier stramme Kerle, alle um die dreißig, standen zusammen am Billard-Tisch. Sie passten perfekt auf die Beschreibung, die Claudia bekommen hatte. Einige hatten Billard-Queues in der Hand, aber sie spielten nicht. Sie tranken und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Ihre Gesichter wirkten angespannt und gereizt.
So ein Mist, schien wohl nicht ihr Tag zu sein.
Außerdem schienen sie womöglich zu beratschlagen, was sie dagegen unternehmen konnten.
Junior war dunkelhaarig und gut aussehend. Den Einheimischen zufolge war er das genaue Ebenbild von Bradshaw Senior. Er war um die eins siebenundachtzig groß und hatte den muskulösen Körper eines College-Footballspielers, der infolge jahrelanger Nachlässigkeit etwas füllig um die Mitte wurde.
Gleich nach dem Eintreten blieb Claudia stehen und starrte das Quartett so lange an, bis einer der Männer den Blick hob und sie sah. Wie es der Zufall wollte, war es Junior. Das gefiel ihr. Er erwiderte ihren festen Blick.
Köder am Haken, Leine ausgeworfen.
Dann ging sie zur Theke. Diesmal bestellte sie ein richtiges Bier. Die Bar sah ihrem Gegenstück recht ähnlich, sie war zwanglos eingerichtet und auf abgewetzte Art gemütlich. Schwarzweißfotos von den Silberminen hingen an den Wänden, und aus den Lautsprechern sang Randy Travis laut »She’s my Woman«. Etwas Undefinierbares trennte die Einheimischen von den Durchreisenden, die nur über Nacht blieben. Claudia wusste nicht genau, was es war. Vielleicht die Art, wie die Leute miteinander redeten.
Sie stützte sich mit verschränkten Armen auf die Theke und trank genüsslich ihr Bier.
Die Männer ließen sie ganze zehn Minuten warten.
»Wie ich höre, haben Sie meinen Hund gefunden«, sagte jemand hinter ihr. »Er ist mir neulich abgehauen, seitdem suche ich ihn. Wollte ihn gerade abholen kommen.«
Der Sprecher war Junior, wie sie mit einem Blick über die Schulter erkannte. Er lächelte und sah entspannt und selbstsicher aus, ein Mann, der sich seiner Welt und seines Platzes darin sicher war. Er trug Jeans und ein gefüttertes Flanellhemd wie die übrigen Männer aus dem Ort, aber sein Haarschnitt hätte auch in einen Country Club gepasst.
Einer seiner Freunde trat hinter ihn, während die beiden anderen sich links und rechts neben Claudia an die Theke stellten. Sie sah sich nach dem
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