Die Tänzerin von Darkover - 9
den Bergen von Darkover gelernt, alles selber mit den einfachsten Hilfsmitteln zu erledigen. Die Comyn-Burg bot im Gegensatz dazu eine merkwürdige Mischung aus Luxus und ungewohnten Entbehrungen, die Donald immer wieder überraschte.
Die Zofe war etwa Mitte dreißig und wirkte trotz ihrer harten Gesichtszüge eher zerbrechlich; dennoch trug sie die schweren Steinkrüge mit Wasser ohne erkennbare Mühe. Donald war das peinlich. Er hätte es vorgezogen, das Wasser selbst zu holen, aber die Frau mußte ihren Lebensunterhalt verdienen und war wahrscheinlich froh, diese Stellung gefunden zu haben. »Das Abendessen wird in einer halben Stunde serviert, vai domyn«, sagte sie noch, bevor sie wieder die Tür hinter sich schloß.
»Du hast also Andrea gefragt, und was weiter?« nahm Marguerida den Gesprächsfaden wieder auf.
»Ich habe sie gefragt, ob sie etwas über diese Kinder wüßte. Sie meinte, daß sie zwar mit dieser Gruppe nichts zu tun habe, aber daß sie früher schon mit Straßenkindern gearbeitet habe und daher über einige Erfahrung verfüge. Sie hat sich bereit erklärt, für Grey einen kurzen Bericht zusammenzustellen und für weitere Nachfragen zur Verfügung zu stehen. Aber von einem Kult der Avarra wußte auch sie nichts.«
Sie schwiegen eine Zeit lang. »Vielleicht mache ich mir ja auch übertrieben viele Sorgen«, meinte Donald schließlich. »Was glaubst du? Für wie ernst hältst du die Angelegenheit.«
»Für sehr ernst«, erwiderte Marguerida. »Allein schon die Art und Weise, wie Raquel darauf reagiert hat, gibt mir zu denken. Sie hat ein ganz besonderes Gespür und weiß, daß an dieser Sache irgend etwas faul ist, auch wenn sie nicht darüber redet.« Die Bewahrerin stand auf und ballte ihre zierlichen Hände zur Faust. »Es ist ein trauriges Zeichen, wenn schon Kinder sich Avarra verschreiben. Sie sollten doch viel eher Evanda und Aldones folgen und ohne Angst und Schrecken in ihrem Licht aufwachsen. Nur die Alten und Kranken rufen die gnadenreiche Avarra an, oder Mütter, die um Unfruchtbarkeit beten, weil die vielen Schwangerschaften sie auszehren und viele der Kinder ohnehin nicht überleben. Die Gnade Avarras besteht darin, daß man stirbt und von seinen Leiden erlöst wird. Wenn nun selbst kleine Kinder schon darauf hoffen, kann das doch nur bedeuten, daß die Zeiten besonders hart sind. Und das sind sie ja wohl«, seufzte Marguerida.
»Wenn du keine Bewahrerin wärst, dann könntest du dich jetzt an meiner Brust ausweinen«, sagte Donald scherzhaft, was sie wenigstens zu einem kleinen Lächeln aufmunterte. »Und was ist mit Raquel? Wo ist sie jetzt?«
»Wieder im Gildehaus. Sie hat die Testergebnisse mitgenommen und möchte sich gründlich überlegen, was sie damit anfangen will.
Ich glaube, sie wird zu uns kommen, zumindest tagsüber. Sie wird sich sicherlich wohler fühlen, wenn sie die Nächte zu Hause verbringen kann und nicht ganz auf die Burg ziehen muß.«
Auf der Comyn-Burg lebten jetzt rund zweihundert Personen, Männer, Frauen und auch einige Chieri, auf die eine solche Klassifizierung nicht zutraf. Deshalb wunderte sich Donald etwas.
»Ich wußte gar nicht, daß Entsagende außerhalb einer reinen Frauengemeinschaft leben dürfen.«
»Wenn das halbjährige Noviziat vorbei ist, können sie selbst entscheiden, wo sie leben möchten. Aber sie ziehen es nun einmal vor, in ihren Häusern für sich zu bleiben, wo Männer keinen Zutritt haben. Die meisten Entsagenden, die ich kenne, geben ohne weiteres zu, daß es neben all den brutalen und gewalttätigen Kerlen auch einige anständige Männer gibt; trotzdem trauen sie ihnen nicht so recht und halten sie von ihren Gebäuden fern. Sie sind anscheinend der Meinung, daß jeder Mann von Natur aus Frauen immer nur dominieren will. Ich wünschte mir, sie besäßen etwas mehr Selbstvertrauen. So, jetzt ist es aber an der Zeit, daß wir uns etwas frisch machen und dann in die Halle hinuntergehen.«
In den darauffolgenden Tagen begann man mit den Aufräumungsarbeiten, die Brotrationierung wurde wie versprochen aufgehoben und von der Station Regulus kam eine ganze Flotte von Raumtransportern, um Versorgungsgüter in die Berge zu bringen.
Sicherheitsoffizier Grey setzte seine Männer auf die jugendlichen Taschendiebe an. Sie konnten drei von ihnen festnehmen und brachten sie innerhalb der terranischen Basis unter, wo seit dem Ausbruch der Unruhen schon mehrere obdachlose Kinder Aufnahme gefunden hatten. Die drei Jungen, von denen der
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