Die Tänzerin von Darkover - 9
Selbst wenn das der Fall wäre, habe das nicht ich zu entscheiden; sie müßten sich schon an Mr. Coburn wenden. Dann gibt es die Feministinnen, die nicht glauben können, daß ich diesen »feministischen Klassiker« (diese Bezeichnung stammt nicht von mir, ich zitiere nur!) ausgerechnet einem Mann anvertraut habe. Es folgen die Heerscharen von Musikern, die unbedingt die Filmmusik schreiben wollen, insbesondere die feministischen Musikerinnen, die sich natürlich besonders dazu berufen fühlen. Ganz zu schweigen von den Zeitgenossen, die dies oder das oder irgendwas von mir möchten, weil sie glauben, oder zu glauben meinen, oder mich glauben machen möchten, daß sie eine Reinkarnation von Morgaine le Fay seien. Wie schön für sie, aber was habe ich damit zu tun? Wenn die Leute nur vernünftig wären, blieben mir solche Briefe erspart. Aber das ist wohl zuviel verlangt …
Glücklicherweise habe ich von Anfang an klar gemacht, daß Darkover eine komplett fiktive Welt ist. Trotzdem werde ich immer wieder – meist von jemand verklärten und übergewichtigen gefragt:
»Mrs. Bradley, wie viel von Ihren Texten wurde Ihnen telepathisch eingegeben?« So etwas verschlägt mir regelmäßig vor Zorn die Sprache. Warum glauben diese Leute, ich sei nicht fähig, mir das alles selber auszudenken? Das erinnert mich irgendwie immer an diejenigen, die noch immer meinen, der verstorbene H. P. Lovecraft sei ein großer Anhänger des Okkultismus gewesen, und nicht der überzeugte Humanist und Rationalist, der er wirklich war. Ich kann die Artikel in Fan-Magazinen schon nicht mehr zählen, die belegen wollen, seine Einstellung sei nur vorgetäuscht, um seine Leserschaft vor dem Teufel zu beschützen; schließlich hätte er ja das alles nicht bloß erfinden können …
Wer so argumentiert, hat keine Ahnung von Literatur. Wie jeder Schriftsteller weiß, besitzt jede imaginäre Welt oder Weltensicht eine eigene Realität, mit der ihr Autor auf eigene Gefahr spielt. So gibt es für mich gewisse Dinge, die ich über Darkover nicht schreiben möchte – jedenfalls nicht, ohne dabei meine intellektuelle Integrität zu verlieren.
Als Beispiel dazu fällt mir ein Kostümball ein, auf dem ich einmal zu Gast war, und bei dem hauptsächlich leichtgeschürzte
»Amazonen« herumhüpften. Ich schrieb damals gerade an Die zerbrochene Kette und erklärte daraufhin Don Wollheim (ganz entgegen meiner sonstigen Angewohnheit, alle Fragen der Umschlagsgestaltung den Graphikern zu überlassen): »Don, wenn du es wagen solltest, eine nackte Amazone aufs Titelbild zu zaubern, dann kannst du getrost vergessen, mich je gekannt zu haben, dann war dies das letzte Buch, das ich für dich geschrieben habe.«
Als ich dieses Ultimatum stellte, konnte ich allerdings auch schon dreißig gutgehende Bücher vorweisen. Jemandem, der seinen Erstlingsroman gedruckt sehen will, würde ich selbst heute davon abraten, obwohl Autoren heute im allgemeinen besser behandelt werden als zu der Zeit, da ich mit dem Schreiben anfing.
Heutzutage kann eine Autorin sich sogar als Feministin bezeichnen und trotzdem verlegt werden.
Und das bringt mich auf einen der erstaunlichsten Umstände in der Karriere der MZB als Schriftstellerin. Bei einer Signierstunde teilte ich mir mit einer anderen Autorin einen Tisch, und um ins Gespräch zu kommen, erkundigte ich mich, wer ihr Verleger sei. Sie erklärte mir, sie bringe ihre Arbeiten im Selbstverlag heraus. Ich habe mich wohl nicht sonderlich beeindruckt gezeigt, denn sie schob trotzig nach, daß »doch jeder weiß, daß bei Science Fiction Frauen keine Chance bekommen.« Da klappte mir erst einmal der Unterkiefer runter. Als ich mich davon erholt hatte, verwies ich sie auf meine mehr als dreißig SF-Romane und fragte sie, wie ich wohl ihrer Meinung nach einen Verleger gefunden hätte. Da klärte sie mich mitleidig auf: »Ach, Marion, es weiß doch jeder, daß du dich schon vor Jahren ans männliche Establishment verkauft hast.«
Das war, gelinde gesagt, ein Schock und mir völlig neu.
Zugegeben, ich habe den (für Feministinnen) unverzeihlichen Fehler begangen, anzunehmen, der Herausgeber, und sei es auch ein Mann, würde schon wissen, was er drucken wolle. Aber jetzt, da ich selber Herausgeberin bin, nehme ich das gleiche Vorrecht für mich in Anspruch!
Daher werden sie in den vorliegenden zweiundzwanzig Geschichten keine einzige feministische Tirade finden. Falls Sie danach suchen, muß ich Sie enttäuschen. Ich bin vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher