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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vergebens sein würde. Krieger waren wertvoll, und ihr Vater hatte entschieden, dass sie für den Stamm am entbehrlichsten war. Der Gedanke tat ihr weh, dennoch nahm sie sich vor, alles zu tun, um Möngür Khan nicht zu enttäuschen.
    »Ich bin bereit, den Russen zu trotzen!«
    Schirins Opferbereitschaft ist ebenso groß wie ihr Mut, fuhr es Kitzaq durch den Kopf, und er schämte sich ein wenig des falschen Spiels, das seine Schwester mit dem Mädchen trieb. Doch wenn es half, seinen Schwager und die gefangenen Krieger den Russen zu entreißen, mochte das Opfer sich lohnen.
    Er trat auf das Mädchen zu und strich ihr über das Haar. »Vergiss nie, du tust es für unseren Stamm. Bleibe standhaft, und vertraue auf Allah!«
    Seine Schwester gab ihm einen Wink. »Geh jetzt, Kitzaq, und schicke mir die anderen Weiber. Wir müssen Schirin auf ihre Aufgabe vorbereiten, und da gibt es noch viel zu tun. Sage den russischen Hunden, die dich begleitet haben, dass der Sohn des Khans ihnen morgen bei Sonnenaufgang übergeben wird.«
    Bevor Kitzaq die Hütte verließ, drehte er sich noch einmal um. »Welchen Namen soll ich ihnen nennen, wenn sie mich fragen?«
    Zeyna dachte an Bahadur, der der Sohn einer anderen Frau gewesen war und dessen Tod ihren Sohn zum Erstgeborenen und sie selbst zur Khanum gemacht hatte. Nun würde sie ihn zu ihrem Nutzen wieder auferstehen lassen, dachte sie und lächelte sehr zufrieden. »Sage ihnen, es handele sich um Möngürs ältesten Sohn Bahadur.«

III.
    Wanja und seine Kosaken hatten die Nacht über in der ihnen zugewiesenen Jurte verbracht und abwechselnd Wache gehalten, denn sie trauten den Tataren nicht. Abgesehen von den Hunden, die von Zeit zu Zeit durch eine Witterung oder ein Geräusch erregt anschlugen, war jedoch alles ruhig geblieben. Bei Anbruch der Dämmerung brachte ihnen die alte Frau, die sie schon am Abend zuvor bewirtet hatte, zum Frühstück einen Eintopf mit fettem Hammelfleisch und mehrere Fladenbrote. Die Kost stieß Wanja ab, aber seine Begleiter griffen wacker zu.
    Der Wachtmeister spie einen besonders zähen Fleischbrocken gegen die Jurtenwand und sah seine Leute kopfschüttelnd an. In seinen Augen waren diese Kosaken keine richtigen Russen, sondern halbe Asiaten, aber vielleicht gerade deswegen die Männer, mit denen Väterchen Zar die barbarischen Provinzen im Osten unter Kontrolle halten konnte.
    Nachdem die alte Frau die Näpfe und Schüsseln wieder abgeholt hatte, brachten die Tataren den Sohn des Khans. Wanja quollen fast die Augen aus dem Kopf, als er den schmucken Jüngling vor sich sah, der mit seinen hellen Augen, den dunkelblonden Haaren und der ovalen Gesichtsform mehr einem Europäer als einem Tataren glich. Seine Mutter musste eine jener Frauen gewesen sein, die die Tataren bei Überfällen auf russische Siedlungen als Beute mitzunehmen pflegten, aber seiner Erscheinung nach war er ganz offensichtlich der erklärte Liebling des Khans, denn er glich mehr einem Fürsten als einem der Steppenräuber seines Stamms. Wanja ahnte nicht, dass er einer List Zeynas zum Opfer fiel, die Schirin so prachtvoll ausgestattet hatte, um jedermann zu blenden. Zusammen mit Möngürs anderen Frauen und deren Töchtern hatte die Khanum bis inden frühen Morgen hinein genäht und gestickt und dabei die Truhen des Khans geplündert.
    Schirin trug weiche, blaue Ziegenlederstiefel und eine weite Hose aus roter Seide. Ihr Hemd war ebenfalls aus Seide, aber von einem Farbton, der an die Farbe der Sonne kurz vor ihrem Untergang erinnerte. Darüber hatte man ihr einen blauen Kaftan aus Damast angezogen, und gegen die Morgenkühle schützte sie ein fester, mit Zobelfellen besetzter Mantel, dessen Leder beinahe wie matter chinesischer Lack wirkte und den Regen abperlen ließ wie von einer zweiten Haut. Auf ihrem Kopf saß eine keck ins Genick geschobene Mütze aus Zobelfell, und in ihrem mit Topasen und Tigeraugen verzierten Gürtel stak rechts ein gerader Dolch mit silbernem Knauf, während links Möngürs geliebter Ehrensäbel hing.
    Einer der Kosaken stieß Wanja grinsend an. »Wenn du diesen prächtigen Hahn vor den Zaren bringst, hält er ihn für einen großen Fürsten und belohnt dich königlich.«
    Wanja nickte beeindruckt und salutierte unwillkürlich, als er auf Schirin zutrat. »Wachtmeister Iwan Dobrowitsch, Euer Gnaden. Ich bin der Anführer Eurer Eskorte.« Das Nicken des jungen Mannes verriet Wanja, dass Bahadur seine Sprache verstand. Das erleichterte ihm seine Aufgabe, denn

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