Die Templerin
vielleicht am Leben lassen. Aber ich meine wirklich niemandem, verstehst du? Auch nicht deiner Mutter oder deinen Freunden.«
»Das verspreche ich«, sagte Robin hastig. »Ich schwöre es, bei allem, was mir heilig ist!«
»Ja«, knurrte Jan. »Fragt sich nur, was das wohl sein mag.« Er wedelte mit der Hand. »Also los. Ich habe zwar das Gefühl, daß ich es bereuen werde, aber verschwinde. Und schnell, bevor ich es mir anders überlege.«
Das ließ sich Robin nicht zweimal sagen. Sie sprang auf, wirbelte auf der Stelle herum und verschwand mit weit ausholenden Schritten in der Dunkelheit, so schnell sie nur konnte.
KAPITEL 2
Es hatte das erwartete Donnerwetter gegeben, und auch wenn ihre Mutter sie nicht geschlagen hatte, so war es doch schlimmer ausgefallen als erwartet. Am Schluß hatte Robin ihrer Mutter natürlich doch von Helle und dem fremden Ritter erzählt; schon, weil ihr Treffen mit dem jungen Tempelritter weitaus mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hatte und sie vor lauter Neugier schier platzte. Am Anfang hatte ihre Mutter ihr gar nicht geglaubt und ihr auf den Kopf zugesagt, daß sie sich das alles nur ausgedacht habe, um einer Bestrafung zu entgehen, aber nachdem Robin hartnäckig bei ihrer Geschichte blieb, wurde sie immer nachdenklicher und ernster. Schließlich hatte sie Robin aufgefordert, die ganze Geschichte noch einmal und in aller Ausführlichkeit zu erzählen, und nachdem sie das getan hatte, wurde sie noch stiller. Robin faßte all ihren Mut zusammen und fragte ihre Mutter, was Helle und der fremde Ritter denn nun eigentlich taten. Zu ihrer Überraschung hatte ihre Mutter dieses Mal nicht unwillig reagiert, sondern, im Gegenteil, gelacht. Dann war sie sehr ruhig geworden und hatte Robin beiseite genommen. Sie hatten lange und in einem für Robin neuen, sehr vertrauten Ton miteinander gesprochen. Danach wußte Robin eine Menge mehr über den Unterschied zwischen Männern und Frauen, der wohl doch größer war, als sie bisher angenommen hatte. Sie hatte längst nicht alles verstanden, denn ihre Mutter hatte oft in Andeutungen und Umschreibungen geredet, und den meisten direkten Frage war sie ausgewichen, fast als wäre ihr die Antwort peinlich. Immerhin hatte sie begriffen, daß es da noch eine ganz andere, aufregende und vielleicht sogar ein bißchen verbotene Welt zu entdecken gab.
Und schon drei Tage später hatte sie Jan wiedergesehen.
Diesmal war es ganz und gar kein Zufall. Im Gegenteil: Robin, die das Gefühl hatte, an einem wichtigen Wendepunkt ihres Leben angelangt zu sein, war nun wild entschlossen, auch die letzten Geheimnisse des Lebens zu ergründen. Jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang versteckte sie sich am Dorfrand und wartete auf Helle, und schon am dritten Tag wurde ihre Geduld belohnt, als die hübsche junge Frau erschien und sich aus dem Ort schlich. Robin folgte ihr, und eine halbe Stunde später verschwand Helle in dem verlassenen Gotteshaus. Robin wartete, bis Jan wieder herauskam, um ihn anzusprechen.
Wie sie erwartet hatte, war er alles andere als begeistert, sie wiederzusehen. Aber immerhin bedrohte er sie nicht mehr mit dem Schwert, und er machte auch keine Anstalten, ihr den Kopf abzureißen.
Ganz im Gegenteil: Er war sogar froh, sie zu sehen. Immerhin hatte er nichts anderes zu tun, als herumzusitzen und darauf zu warten, daß das Treffen zwischen Helle und seinem Herrn seinem Höhepunkt und damit auch seinem Ende zutrieb - was meistens zwei oder auch schon mal drei Stunden dauern konnte. Ihn plagte schlichtweg die Langeweile, und dazu kam, daß Robin keinen Hehl aus ihrer Bewunderung für ihn machte. Immerhin war er ein richtiger Ritter, und wer aus dem Dorf konnte sich schon rühmen, einen der Krieger Gottes persönlich zu kennen? Wie sich zeigte, trafen sich Helle und Jans Herr regelmäßig zweimal die Woche - immer dienstags und freitags. Wie selbstverständlich folgten auch Robins und Jans Begegnungen diesem Rhythmus. Robin überschüttete den jungen Tempelritter nur so mit Fragen, die er allesamt geduldig und sehr ausführlich beantwortete. Robin begriff rasch, daß Jan große Freude daran hatte, Geschichten zu erzählen. Und er kannte eine Menge spannender Geschichten! Er erzählte von seiner Erziehung zum Ritter, von wilden Kämpfen und abenteuerlichen Reisen und vor allem von Outremer, dem Königreich Gottes im Heiligen Land. Robin klebte geradezu an seinen Lippen und sog jedes Wort in sich auf, und im Laufe der Zeit geschah etwas
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