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Die Terranauten 086 - Die Gehetzte von Terra

Die Terranauten 086 - Die Gehetzte von Terra

Titel: Die Terranauten 086 - Die Gehetzte von Terra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
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Kerl«, murmelte die Alte ironisch.
    Ihre Stimme klang nun keineswegs mehr verrückt. Sogar ihre krumme Gestalt schien sich zu straffen. Mit einer Behendigkeit, die niemand ihren morschen Knochen zugetraut hätte, schob sie sich durch ein Gebüsch und stieg durch das mannshohe Loch, das in der verwitterten Betonmauer klaffte.
    Ein großer Raum erstreckte sich hinter der Öffnung.
    Pfützen glitzerten im abnehmenden Sonnenlicht. Seit Jahrhunderten schon besaß dieses Gebäude – einstige Residenz eines vergessenen Versicherungsunternehmens – kein Dach mehr.
    Risse klafften im Boden. Manche so breit, daß die Alte Mühe hatte, sie zu überspringen. Behende eilte sie in eine finstere Ecke, bückte sich und zerrte an einem Stein, der zusammen mit anderen Trümmerbrocken einen wulstigen Haufen bildete.
    Unter dem Stein kam eine kleine Öffnung zum Vorschein. Eine Mulde, nicht größer als die Handfläche eines Mannes. In der Mulde lag ein fingerlanger Zylinder aus antimagnetischem Plastik.
    Der Rabe flatterte von der Schulter der alten Frau, landete auf dem Boden und tapste unbeholfen auf den Zylinder zu.
    Schweigend wartete die Alte.
    Mit dem Schnabel pickte der Rabe gegen das Plastik. Bei der Berührung kräuselte Rauch auf. Dann eine dünne, verzerrte Stimme.
    »Nummer Vierzehn und Fünfzehn in Kosmograd nach Plan entdeckt. Nummer Vierzehn in Pflichterfüllung heimgegangen zur Grauen Arda. Nummer Fünfzehn in der Gewalt des Gegners. Die nächste Masche ist Edinburgh. Nummer Dreiundzwanzig hält sich bereit. Die Graue Arda stehe uns bei.«
    Nach den letzten Worten hatte sich der Plastikzylinder völlig aufgelöst. Nur noch ein milder Brandgeruch hing in der Luft.
    Zufrieden wackelte die Alte mit dem Kopf.
    »Gute Arbeit, Nummer Zwei«, murmelte sie. »Die Schatten sind treu. Wie die genetische Schwester.«
    Der Rabe krächzte.
    Es klang mißbilligend. Vielleicht irritierte es ihn, daß seine schwarzen Knopfaugen die Träne entdeckten, die der Alten über die rechte Wange rann.
    »Du hast recht«, sagte die alte, weißhaarige, verrunzelte Frau. »Wir haben keine Zeit für Sentimentalitäten. Und die genetische Schwester weiß, daß ihr Opfer notwendig ist, um den Grauen Garden die Zukunft zu sichern.«
    Der Rabe kehrte zustimmend krächzend auf ihre Schulter zurück.
    Der Rabe war kein Rabe.
    Er war ein künstliches Geschöpf, erschaffen von den Gen-Ingenieuren der Grauen Garden, ausgestattet mit einer kalten, berechnenden Intelligenz und extrem sensibilisierten Sinnen.
    Er hatte das Nahen des Garden-Gleiters gespürt und die Alte darauf vorbereitet. Er hatte festgestellt, daß jener Ruine, in der sich der Kassiber befand, menschenleer war. Und nur ihm war es möglich, den Audiozylinder zu aktivieren.
    Und die Frau …
    Sie war nicht alt. Sie war nicht runzlig und krank und schwächlich, auch wenn jeder Diagnosecomputer der irdischen Medi-Techniker auf die Täuschung hereingefallen wäre. Sie war keine einstige Relax, wegen vorzeitigen Verbrauchs des Lebenskredits zum Noman zurückgestuft, obwohl ihr Gehirnwellenmuster und ihre Körperelektrizitätswerte, Fingerabdrücke und sonstigen Merkmale mit der Hurran-Identität perfekt übereinstimmten.
    Im Zentrum des Konspirativen Netzes war die Frau verändert worden. So umfassend, so sorgfältig, daß auch sie die Last von über hundert Jahren auf ihren Schultern fühlte.
    Die Frau hieß Chan de Nouille und war die einstige Herrin der Grauen Garden.
    Zahnlos vor sich hinkichernd, automatisch in ihre Rolle zurückfallend, verließ sie die Ruine und humpelte zurück zu der breiten, rissigen, unkrautbewachsenen Straße, die einst den Namen Ku’damm getragen hatte.
    Die Dämmerung hatte zugenommen.
    Bald würde die Nacht hereinbrechen.
    Und mit der Nacht würde der grausame, komplizierte und verzweifelte Plan der Großen Grauen weiter Gestalt annehmen.
     
    *
     
    Die Außenviertel von Edinburgh brannten.
    Öliger Rauch stieg in dichten Säulen hinauf in den eisig blauen Morgenhimmel. Wie Nebel hing die schmutzige Wolke über diesem Teil der Provinz SCHOTT.
    Die Queen Lea gab Vollschub.
    Nur wenige Meter unter dem schnittigen Stahl-Protop-Projektil des Spezialgleiters huschten die Baumwipfel hinweg. Das hochempfindliche Radar, mit dem der Autopilot das Terrain sondierte, übertrug das Walddach als wellenförmige Strömung auf den Tridi-Monitor.
    Immer wieder glitt der Flugkörper abrupt vier oder neun Meter in die Höhe, bockte wie ein temperamentvolles Wildpferd und stemmte

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