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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dich zu sehen … Schwesterchen. Jetzt … lasst mich gehen. Yolanta wartet auf mich.«
    »Die Lebenden warten auf dich, nicht die Toten«, sagte Cyprian heiser.
    »Das ist Unser Geschichtenerzähler«, sagte der Kaiser. »Wie kommt er hierher?«
    »Er stirbt!«, schrie Agnes. »Ist das eine Geschichte, die Sie hören wollen?« Es kümmerte sie nicht, ob sie für ihre Respektlosigkeit enthauptet werden würde. »Er stirbt!«
    »Nicht, wenn Wir es nicht erlauben.« Der Kaiser drehte sich um und brüllte: »Doktor Guarinoni!«
    Ein Mann mit Glatze und langem, grauem Vollbart, dunkelgekleidet und so hochmütig wirkend wie ein Schwarzstorch, kletterte aus dem Wagen des Kaisers, machte einen Bogen um den brennenden Leichnam davor und lief herüber. Kaiser Rudolf zeigte auf Andrej.
    »Das ist Unser Geschichtenerzähler«, sagte der Kaiser. »Retten Sie ihn, oder hängen Sie.«
    Cyprian blickte zu Bischof Melchior auf, der immer noch auf dem Bock des Wagens saß. Melchior nickte ihm mit einem erschöpften Lächeln zu. Cyprian nickte zurück. Es war noch nicht vorüber.

1592:
Das Grösste unter
Dreien
    »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung,
Liebe, diese drei.«
    1. Kor. 13,13

1
    Abt Martin war fassungsloser Zeuge der Szene, wie Kaiser Rudolf die Teufelsbibel in Empfang nahm. Cyprian stand neben ihm und hielt ihn unauffällig an der Kutte fest. Kurz zuvor hatte er ihm zugeflüstert: »Wenn Sie alles retten wollen, dann halten Sie den Mund.« Martin, der noch immer damit kämpfte, die Betäubung von Cyprians Faustschlag abzuschütteln, hatte die Szenerie im Hof seines Klosters betrachtet, den lodernden Scheiterhaufen, das qualmende Bündel Mensch vor dem kaiserlichen Wagen, den weinenden Buh, den Arzt, der mit Agnes’ Hilfe darum kämpfte, nicht für den Tod eines Mannes, den er nicht weniger verabscheute als der ganze Rest des kaiserlichen Hofstaats, gehängt zu werden, Bischof Melchior, der für den auf dem Boden knienden Kaiser eine riesige Seite nach der anderen umschlug. Der Anblick der roten, blauen, gelben, grünen und goldenen Illuminationen schwirrte vor den Augen des Abts, die Seitenumrandungen drehten sich vor seinen Augen, Spiralornamente, Kreisel, keltisch verschlungene Kreuzsymbole – er hatte das Buch, dessen Hüter er geworden war, niemals gesehen und konnte nicht sagen, ob die Kopie, die der Kaiser betrachtete wie ein Heiligtum, dem Original nahekam oder nicht – aber dass es eine Kopie war, stand fest. Abt Martin spürte weder das Vibrieren noch das Summen der Energie, das er manchmal durch mehrere Meter Stein wahrgenommen hatte und das das ungeschützte Original mit solcher Macht hätte ausstrahlen müssen, dass er davon in die Knie gegangen wäre.
    Der Kaiser hielt Bischof Melchiors Hand auf, als dieser über eine Zeichnung hinwegblättern wollte. Das Blatt glitt zurück. Abt Martin bekreuzigte sich. Der Leibhaftige grinste aus der Seite heraus, fast formatfüllend. Das Blatt schien halb verkohlt, halb vermodert zu sein, als habe das bloße Abbild des Bösen genügt, es zu zersetzen.
    Bischof Melchior schloss das Buch und legte es mit Hilfe des Kaisers vorsichtig zurück auf den Boden. Sie schlugen es in seine Schutzhülle. Zwei Soldaten trotteten heran, hoben es auf und schleppten es mit angestrengten Gesichtern zum Wagen des Kaisers. Sie hoben es hinein und schlugen die Tür zu. Abt Martin wartete darauf, dass die Welt unterging oder die Himmel sich auftaten, aber nichts geschah.
    Der Kaiser wandte sich um und wankte zu ihm herüber.
    »Immer schön lächeln«, sagte Cyprian zwischen den Zähnen.
    »Wir danken Ihnen«, sagte der Kaiser und streckte die Hand aus. Abt Martin ergriff sie wie im Traum und schüttelte sie.
    »Es ist mir eine Ehre, dieses heilige Artefakt in der Obhut Seiner Majestät zu wissen«, krächzte er.
    Der Kaiser nickte und bewegte sich zu seinem Wagen. Im Gehen warf er einen Blick zu seinem Leibarzt. Der bärtige Mann hob einen Daumen und wischte sich mit der anderen Hand über die Stirn. Der Abt hörte, wie Bischof Melchior, der den Kaiser geleitete, sagte: »Wenn Majestät erlauben, nehme ich Doktor Guarinoni mit zurück nach Prag.« Dann verstand er nichts mehr. Er spähte über die Schulter zu Cyprian.
    »Er hat die Kopie«, sagte er mit einem Mund, der nicht ihm zu gehören schien.
    »Ja, aber das weiß er nicht«, sagte Cyprian. »Bald wird alle Welt glauben, dass er das Original hat. Und es wird keine Abenteurer mehr geben, die eine Geschichte gehört haben oder

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