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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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und zog Allen die Beine weg, wie Mercy es ihm beigebracht hatte. Mein Cousin stürzte prompt zu Boden, woraufhin Richard sich auf seine Brust setzte und ihm mit den Knien beide Arme festhielt, damit er sich nicht rühren konnte.
    Da trat Mutter aus der Scheune. Sie hatte ein wenig Stroh in der Hand. Der Schal war ihr vom Kopf gerutscht, und als ich ihren vorgeschobenen Kiefer sah, bekam ich fast ein bisschen Mitleid mit Allen. Sie kniete sich neben Allens Kopf und drückte ihm das Gesicht ins Stroh, das, wie wir nun erkannten, verrußt war und qualmte. Zum Glück war es wegen einer undichten Stelle im Dach zu feucht gewesen, um richtig Feuer zu fangen. Allerdings geriet Allens Wange mit einem Rest von Glut in Berührung, denn er stieß einen Schmerzensschrei aus.
    »Hast du etwa geglaubt, du könntest uns vertreiben, indem du unsere Scheune niederbrennst?«
    »Ach, verschwinde doch, du dumme alte Schlampe.« Als Allen sich heftig zu wehren begann, drückte Richard seinem Gefangenen noch fester die Knie in die Arme und verpasste ihm ein paar Kinnhaken. Mutter beugte sich vor, sodass Allen ihr in die Augen sehen konnte.
    »Da musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen, um uns loszuwerden. Du könntest zum Beispiel das Haus anstecken. Aber was würde dir das nützen? Dann wärst du nämlich immer noch obdachlos und darüber hinaus ein Feigling, Allen Toothaker. Genau wie dein Vater. Und ich sage dir noch etwas. Falls Thomas dich hier erwischen sollte, kannst du den Kopf unter dem Arm tragen. Da wirst du dir wohl einen neuen Platz für deinen Hut suchen müssen.« Mutter stand auf und bedeutete Richard, ihr zu folgen. Rasch rappelte Allen sich hoch und ging davon, so schnell ihn seine zitternden Beine trugen. Sobald er weit genug entfernt war, drehte er sich um und zeigte mit einem bebenden Finger auf uns. »Das ist mein Land und mein Haus, und ihr habt es gestohlen. Aber ich schwöre bei Jesus Christus, dass ihr dafür brennen werdet, und wenn ich das Feuer dazu selbst aus der Hölle holen müsste.«
    Mutter kehrte ihm den Rücken zu. Allen verharrte noch eine Weile. Speichel glänzte auf seinen dicken Lippen, und seine dicht beieinanderstehenden und halb zusammengekniffenen Augen glitzerten tückisch. Von dem glühenden Heu hatte er einen großen roten Striemen an der Wange, der leuchtete wie ein Kainsmal. Er sah jeden von uns nacheinander an, und als unsere Blicke sich trafen, drehte ich ihm eine lange Nase. Auch wenn ihm so mancher Vorwurf gegen uns in den kommenden Wochen entfallen mochte, war es diese letzte Beleidigung, die er nie wieder vergessen sollte. Er machte kehrt und stolzierte durch den weißen Schnee davon. Bis zu unserer nächsten Begegnung mit ihm würden einige Monate vergehen.

    Eines Tages brachte Vater einen schwarzen struppigen Spürhund an einer kurzen Kette nach Hause. Es war ein mittelgroßer Köter, der gern und viel bellte. Vater band ihn in der Scheune an, damit er uns vor Eindringlingen warnte. Mutter wandte ein, der Hund würde sicher die Katzen zerreißen, doch Vater erwiderte, dann würden wir eben mit einigen Mäusen mehr in der Scheune leben müssen. Als es endlich wärmer wurde und der Schnee schmolz, ketteten wir die Bestie an der zur Straße gewandten Seite des Hauses fest, damit er jedem, der vorbeikam, seine bedrohlichen Zähne zeigte. Vater war der Einzige, der den Hund füttern durfte, damit er lernte, wer sein Herr war. Außerdem wurden wir eindringlich ermahnt, uns außerhalb der Reichweite seiner Kette zu halten, da er schnappte und sein Futter verteidigte. Allmählich kehrte wieder der bäuerliche Alltagstrott bei uns ein. Die Sonne ging in demselben Bogen auf und unter, in dem wir die Samen aus unseren Säcken mit Saatgut auf die Felder warfen, und der Stock hob und senkte sich im Gleichtakt über dem Rücken des Ochsen, damit er schneller pflügte. Am siebten Tag des Monats wurde Andrew fünfzehn Jahre alt. Sein Körper war zwar gewachsen, blieb aber bleich und schwammig, und sein Verstand war noch immer so sanft und arglos wie der eines Kindes.
    Robert Russell hatte die Witwe Frye geheiratet und besuchte uns, um das mit einem Hochzeitsmahl zu feiern. Die frischgebackene Goodwife Russell war mondgesichtig und pummelig, aber von ruhigem und freundlichem Gemüt und noch jung genug, um Robert den Sohn zu schenken, der ihm mit seiner ersten Frau nicht vergönnt gewesen war. Dass sie sich gegen Elizabeth fürsorglich und mütterlich verhielt, obwohl die Gerüchteküche

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