Die Tochter der Suendenheilerin
Hand!
Aber Stephan tat nichts dergleichen. War es in seinen Augen nicht der rechte Zeitpunkt? Oder schämte er sich, weil er nichts vorweisen konnte?
In der Zwischenzeit hatte sich unter den Regensteinern lautstarker Protest erhoben. Ulf und seine Söhne wetterten gegen den Sieg der Birkenfelder.
»Der Kampf ist ungültig!«, brüllte Ulf immer wieder. »Wo kämen wir hin, wenn sich eine unterlegene Mannschaft einfach einen neuen Kämpfer aufs Feld holt?«
Philip hörte das Geschrei und ging auf Ulf zu. Antonia und Stephan folgten ihm.
»Stephan von Cattenstedt ist ordnungsgemäß als Teilnehmer des Turniers eingetragen«, sagte ihr Vater. »Wir haben den Buhurt zu siebt begonnen, weil unser achter Mitstreiter sich verspätete. Ich sehe darin keinen Regelverstoß.«
»Herr Philip hat recht.« Herzog Leopold hatte sich ebenfalls von seinem Platz auf der Tribüne erhoben. »Jede Mannschaft hatte acht Teilnehmer. Jeder Teilnehmer war ordnungsgemäß auf den Turnierlisten verzeichnet. Nirgends steht geschrieben, dass alle Teilnehmer von Anfang an auf dem Turnierfeld stehen müssen.«
»Das lasse ich mir nicht bieten!«, schrie Ulf. »Für mich ist diese Fehde nicht beendet! Das bedeutet Krieg!«
»Mäßigt Euch, Herr Ulf! Andernfalls nehmen Euch meine Waffenknechte in Gewahrsam. Ihr habt Euch darauf eingelassen, nach Beendigung dieses Turniers allen Feindseligkeiten zu entsagen. Tut Ihr das nicht, sehe ich mich gezwungen, die Reichsacht über Euch verhängen zu lassen.« Leopolds Blick war eisenhart geworden. Von hinten näherten sich mehrere Waffenknechte des Herzogs. Jedem war klar, dass Leopold es bitterernst meinte.
Auch Sachmet war von der Tribüne gestiegen und wollte sich gerade zu Antonia gesellen, als Meinolf sie plötzlich von hinten packte und ihr ein Messer an die Kehle hielt.
»Befehlt Euren Waffenknechten, die Waffen fallen zu lassen! Wir verlangen freien Abzug, sonst stirbt das Mädchen.«
Ein Aufschrei ging durch die Menge.
»Lasst sofort das Mädchen los!«
»Nein, Herr Leopold, so einfach ist das nicht. Erst werfen Eure Männer die Waffen fort!« Er drückte das Messer noch fester gegen Sachmets Kehle.
Antonia blickte Sachmet erschrocken in die Augen. Als sie die Seelenflamme erkannte, zuckte sie zurück. Da war keine Spur von Furcht zu entdecken, sondern nur heißer Zorn. Ein roter Stich hatte sich in ihren hellen Grundton gemischt.
Die Männer ließen ihre Waffen fallen. Meinolf senkte das Messer. Im nächsten Augenblick stieß Sachmet ihm den Ellbogen in den Magen. Vor Schmerz und Überraschung keuchte Meinolf laut auf. Sachmet nutzte die Gelegenheit, wand sich aus seinem Griff und rammte ihm das Knie zwischen die Beine. Meinolf krümmte sich.
»Dir werde ich helfen, dich an einem wehrlosen Mädchen zu vergreifen!«, schrie sie und schlug ihm mit beiden Fäusten in den Nacken, bis er vollends zu Boden ging.
Totenstille.
Ulf starrte Sachmet wie vom Donner gerührt an. Dann wanderte sein Blick zu seinem Sohn, der sich mühsam aufzurappeln versuchte.
»Du hast mich bitter enttäuscht!«, zischte er und verpasste Meinolf einen Tritt, der ihn abermals zu Boden warf. »Du hast auf meiner Burg nichts mehr verloren!« Dann wollte er den Platz verlassen, doch Herzog Leopold stellte sich ihm in den Weg.
»Erkennt Ihr den Ausgang des Turniers an?«, fragte er.
Ulf grunzte etwas, das wie ein Ja klang. Leopold gab den Weg frei, und Ulf stapfte auf die Regensteiner Zelte zu. Eberhard wollte sich ihm anschließen, doch Rudolf zupfte ihn am Ärmel.
»Eine Kleinigkeit noch …«, begann er.
»Was?«, herrschte Eberhard ihn an.
»Ich möchte Euch um die Hand Eurer Tochter Sibylla bitten.«
Inzwischen war Sibylla ebenfalls von der Tribüne gestiegen und stellte sich an Rudolfs Seite.
»Bitte, Vater!«, sagte sie und griff dabei nach Rudolfs Hand.
Bevor Eberhard antworten konnte, versuchte Meinolf sich ein zweites Mal vom Boden zu erheben.
»Wenn du das tust, verlierst du jede Ehre!«, keuchte er in Eberhards Richtung.
»Halt’s Maul!«, schrie Eberhard und versetzte seinem Halbbruder einen weiteren Tritt. Dann wandte er sich an Philip. »Über den Ehevertrag reden wir noch. Aber ich warne Euch – ich lasse mich von Euch nicht übers Ohr hauen.« Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging. »Eberhard, ich liebe dich«, hörte Antonia Alheidis noch flüstern.
Meinolf versuchte ein drittes Mal aufzustehen. Diesmal wurde er nicht getreten, sondern bekam die hilfreichen Hände der
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