Die Tochter der Suendenheilerin
erobern. Ich will mich Eberhard als Austauschgeisel für Meret anbieten.«
Stephan zog zweifelnd die Brauen hoch. »Und dann?«
»Du bringst Meret wohlbehalten zurück nach Birkenfeld. Wenn ich sie in Sicherheit weiß, wird mir schon etwas einfallen, Eberhard und seinem Vater ein Schnippchen zu schlagen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann lasse ich es mir auf Burg Regenstein gut gehen, bis Vaters Klage Erfolg hat. Mir macht das nichts aus. Aber ich will Meret in Sicherheit wissen.«
»Und wenn die Regensteiner nicht darauf eingehen?«
»Dann haben wir auch nichts verloren.«
»Denk daran – sie sind ehrlos.«
»Vater meint, Eberhard habe aus unüberlegter Wut gehandelt. Möglicherweise geht er auf meinen Handel ein, um ein bisschen Ehre zurückzugewinnen.«
Stephan runzelte die Stirn. »Ich halte nicht viel davon.«
»Dann wirst du mich nicht begleiten?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Du kommst also mit?«
»Ja.«
»Gut. Dann lass uns alle Vorbereitungen treffen. Ich brauche unter anderem ein langes Seil …«
Eine gute Stunde später verließen die beiden heimlich die Burg. Für einen Moment flammte das schlechte Gewissen in Rudolf auf, weil er sich nicht von seiner Familie verabschiedet hatte. Aber er fürchtete, dass sie ihn zurückgehalten hätte. Er hatte den Blick seiner Mutter bemerkt, als er zornig den Kaminsaal verlassen hatte. So sah sie ihn immer nur an, wenn sie um sein Gleichmaß fürchtete. Es war lange her, dass er zuletzt in die Dunkelheit gestürzt war, und noch länger, dass er auf den Wogen des Glücks geritten war und sich für unbesiegbar gehalten hatte. Rudolf seufzte. Dies war der Fluch, den er von seiner leiblichen Mutter geerbt hatte. Er war machtlos, selbst wenn er mit aller Kraft dagegen ankämpfte. Doch an diesem Tag war es anders. Ihn trieben lediglich die Sorge um Merets Wohlbefinden und der Zorn auf die Regensteiner an.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten sie Burg Regenstein. Rudolf überlegte kurz, ob er es Stephan und Meret wirklich zumuten sollte, noch an diesem Abend nach Birkenfeld zurückzukehren. Nun, sollten die Regensteiner auf sein Angebot eingehen, käme es auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Und eigentlich gab es keinen Grund, sein Anerbieten abzulehnen. Geisel war schließlich Geisel, und es war nicht ehrenhaft, ein Kind festzuhalten.
Burg Regenstein lag auf einer Anhöhe, die jedem Angriff widerstand. Es führte ein einziger Pfad hinauf, die drei anderen Seiten gingen in steiles Felsgestein über. Die Burg thronte so hoch über den Wäldern, dass von dort aus die Kirchturmspitzen von Halberstadt und Blankenburg zu erkennen waren. Kein Wunder, dass die Regensteiner sich in ihrer Festung so sicher fühlten.
»Sie haben die Zugbrücke hochgezogen«, stellte Rudolf fest.
»Sie haben ihre Gründe«, entgegnete sein Gefährte schwer atmend. Auch wenn er es verbergen wollte, litt Stephan ganz offenkundig Schmerzen. Die Folgen des Überfalls waren schwerwiegender, als er zugab. Einen Augenblick lang fragte Rudolf sich, ob er nicht zu viel von Stephan gefordert hatte. Andererseits war Stephan ein erfahrener Krieger. Er wusste, was er konnte und was nicht.
»Heda!«, rief Rudolf zu den Wachtposten hinauf. »Wir verlangen, den Burgherrn zu sprechen.«
»Wer seid Ihr?«, fragte einer der Männer zurück.
»Rudolf von Birkenfeld. Ich verlange, auf der Stelle vorgelassen zu werden!«
Eine Weile tat sich gar nichts.
Stephan lehnte sich im Sattel vor und schätzte die Umgebung mit seinen Blicken ab.
»Wonach suchst du?«, fragte Rudolf.
»Nach Schwachstellen.«
»Und hast du welche entdeckt?«
Stephan schüttelte den Kopf. »Fluchtwege gibt es hier kaum.«
»Solange Meret in Sicherheit ist, ist mir das gleich.«
Nach geraumer Weile wurde das kleine Manntor neben der Zugbrücke geöffnet. Es war so schmal, dass die Reiter absteigen und die Pferde führen mussten.
Im Hof wurden sie von fünf Waffenknechten erwartet.
»Gebt uns Eure Waffen!«
Rudolf und Stephan tauschten einen raschen Blick aus. Die Waffen zu fordern war eine Beleidigung.
»Ist das hier so üblich?«, fragte Rudolf.
»Nur für Birkenfelder.« Der Mann grinste dreckig.
»Aha. Nun, die Regensteiner werden schon wissen, warum sie uns fürchten«, entgegnete Rudolf gelassen. Dann öffnete er seinen Waffengurt und übergab ihn samt Schwert und Dolch.
»Hoffentlich bekommen wir unsere Waffen unversehrt zurück, wenn wir gehen.«
»Sicher, wir sind keine Diebe.«
Stephan zögerte
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