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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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einen Augenblick lang, dann löste auch er seinen Waffengurt.
    Man führte sie ins Innere der Burg. Rudolf war noch nie auf Regenstein gewesen. Verwundert stellte er fest, dass ein Teil der Burg unmittelbar in den Fels geschlagen war. Ganz so, als hätte man alte Höhlen in die rechte Form gebracht und Fenster und Türöffnungen hineingemeißelt. Die Besucher wurden in einen jener absonderlichen Höhlenräume geführt. In die rohen Wände hatte man eiserne Halterungen geschlagen, in denen Talglichter steckten und ein schwaches Licht spendeten. Hirschfelle verdeckten notdürftig den kalten Stein. Rudolf runzelte die Stirn. Sollte dieser rustikale Wandbehang von den Jagdkünsten der Regensteiner zeugen? Dafür sprach auch das große Bärenfell, dem man den Kopf belassen hatte und das in der Mitte des Raums auf dem Boden lag. Die einzigen Möbelstücke bestanden aus vier Scherenstühlen. Obwohl bereits Juni, war es in diesem Raum empfindlich kühl.
    Stephan setzte sich so lässig auf einen der Stühle, als wolle er den Waffenknecht herausfordern, der sie begleitete. Rudolf jedoch wusste, dass es Stephan schwerfiel, länger zu stehen. Er folgte Stephans Beispiel und nahm ebenfalls Platz.
    Der Waffenknecht blieb mit unbewegter Miene am Eingang stehen.
    Wieder verging einige Zeit. Niemand sagte ein Wort.
    Natürlich ließ Eberhard sie warten. Er wollte sich für seine Zurückweisung rächen. Rudolf hatte nichts anderes erwartet. Und er begriff, warum sein Vater nicht sofort nach Burg Regenstein aufgebrochen war. Eberhard hätte die Situation genossen und ihn nur gedemütigt. Womöglich hätte er ihm erlaubt, Meret zu sehen, ihr zugleich aber klargemacht, dass ihr Vater nichts für sie tun konnte. Nein, es war schon besser, dass Vater Klage gegen die Regensteiner erheben wollte.
    Rudolf atmete tief durch. Er hingegen hatte jede Freiheit. Er konnte sich als Austauschgeisel anbieten. Er verlor dabei nicht sein Gesicht, ganz gleich, was geschah. Der Einzige, der seine Ehre verlieren konnte, war Eberhard. Wenn er nicht auf den Austausch einging.
    Endlich betrat ein Mann den düsteren Raum. Er kam Rudolf irgendwie bekannt vor, auch wenn er nicht sagen konnte, ob er ihm tatsächlich schon einmal begegnet war. Der Mann mochte um die dreißig sein, war schlank, hatte breite Schultern, dunkelbraunes Haar und einen sorgsam gestutzten Vollbart. Sein dunkelblauer Bliaut war schlicht, aber aus gutem Stoff.
    Rudolf warf Stephan einen kurzen Blick zu. Zwischen dessen Brauen hatte sich eine tiefe Falte gegraben.
    »Sieh an, Herr Rudolf von Birkenfeld.« Der Mann grinste selbstgefällig und erinnerte Rudolf an Eberhard. »Und wie ich sehe, seid Ihr nicht allein gekommen.« Sein Blick blieb auf Stephan hängen, aber er sagte nichts weiter.
    Rudolf erhob sich. »Ich verlange mit Graf Ulf von Regenstein zu sprechen.«
    »Verlangt Ihr. So, so. Nur leider habt Ihr hier nichts zu verlangen. Ihr könnt höchstens bitten.«
    In Rudolf brodelte es erneut, doch er beherrschte sich. »Nun gut. Dann bitte ich eben in aller Form darum, dem wohledlen Grafen von Regenstein vorgestellt zu werden, um mit ihm über Geschäfte zu sprechen.«
    »Seid Ihr dazu befugt?«
    »Natürlich ist er das«, bemerkte Stephan. Rudolf warf ihm einen erstaunten Blick zu. Gewöhnlich ergriff Stephan nie von sich aus das Wort. »Er ist schließlich kein Bastard, Herr Meinolf.«
    Meinolf! Rudolf horchte auf. War das etwa Meinolf von Brack, der illegitime Halbbruder von Eberhard? Rudolf hatte schon einiges über ihn gehört.
    Meinolfs Züge verhärteten sich. »Noch so ein Wort, Narbengesicht, und ich sorge dafür, dass deine Fresse wieder symmetrisch wird.«
    Stephan erhob sich und trat auf Meinolf zu. »Versuch es, wenn du unbedingt sterben willst.«
    Unwillkürlich wich Meinolf zurück. Rudolf konnte diesen Schritt gut verstehen, klang Stephans Stimme doch so kalt, dass auch ihm ein Schauer über den Rücken lief. Einen Augenblick lang schien es, als liege ein Kampf in der Luft. Rudolf beobachtete, wie sich die Muskeln beider Männer anspannten.
    »Wartet hier!«, knurrte Meinolf schließlich und ging.
    Stephan setzte sich wieder.
    »Du kennst ihn?«, fragte Rudolf.
    Stephan nickte.
    »Gut?«
    »Nein.«
    »Aber gut genug, um ihn zum Schweigen zu bringen?«
    »Ja.«
    Jeder andere Mann hätte triumphierend gelächelt, doch Stephans Miene blieb unbewegt.
    Wieder verstrich Zeit. Rudolf wurde ungeduldig, aber er verbarg seine Gefühle hinter einer gleichmütigen Maske. Dabei

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