Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ihren Füßen, auf den roten Mahlstrom, der sie erfasste und herumwirbelte, bis ihr schwindelte und sie den gellenden Schrei nicht mehr hörte, der den Blick des roten Stiers auf sie lenkte.
1
Der Spanier war unter unerträglichen Schmerzen gestorben. Das konnte man deutlich aus den verzerrten Zügen des einst so hübschen Gesichts und den verrenkten Gliedmaßen ablesen. Schwarzer Schaum überzog die Lippen. Ein grausamer Tod – und allem Anschein nach durch die am meisten gefürchtete Waffe der Welt:
»Gift.«
Nachdem Rodrigo Borgia sein Urteil gefällt hatte, hob er den Kopf und ließ seinen misstrauischen Blick unter den schweren Lidern über die Mitglieder seines Haushalts gleiten.
»Der Mann wurde vergiftet.«
Die Wachen, die Höflinge und die gesamte Dienerschaft des Kardinals erschauerte, als ob im glutheißen Sommer Anno Domini 1492 ein heftiger Windstoß durch den Empfangssaal im Schatten der von Säulen getragenen Loggia gefegt sei und den kühlenden Duft von Jasmin und Tamarinde hereingeweht hätte.
»Und das in meinem Haus! Der Mann, der mich beschützen sollte, wurde in meinem Haus vergiftet!«
Die Tauben flatterten von ihrem Platz unter dem Dachgesims
auf, als die donnernde Stimme des Kardinals über sie hinwegfegte. Trotz seiner Wut war Il Cardinale ein Vorbild an Beherrschung und wahrer Durchsetzungskraft.
»Ich werde den Schuldigen finden. Er wird mir für diesen Frevel bezahlen! Capitano , Ihr werdet …«
Bevor Rodrigo Borgia den Befehl an den Kommandeur seiner condottieri ausgesprochen hatte, hielt er kurz inne. Im selben Moment trat ich einen Schritt vor und drängte mich zwischen einem Priester und einem Schreiber durch die Menge, die ihren Herrn schreckensvoll anstarrte. Die Bewegung lenkte Borgia ab. Mit gerunzelter Stirn starrte er mich an.
Ich neigte meinen Kopf in Richtung des Toten.
»Hinaus!«
Auf sein Kommando hin flohen die Umstehenden in größter Hast. Angefangen von den Veteranen bis hin zu den jüngsten Dienern stolperten alle durcheinander, um möglichst schnell dem maßlosen Zorn zu entkommen, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie wollten nichts weiter als ungestört flüstern und endlich hören, was geschehen war, was das Ganze zu bedeuten hatte, und vor allem, wer diese wagemutige Tat begangen hatte.
Ich blieb als Einzige zurück.
»Giordanos Tochter?« Quer durch den Empfangssaal starrte Borgia mich an. Die Wände waren auf das Prächtigste mit Teppichen im maurischen Stil geschmückt, was sich nur wenige leisten konnten. Dazu Möbel aus edlen Hölzern, kostbarste Stoffe und Tabletts in Gold und Silber, was alles vom Ruhm und der Macht des Mannes kündete, den ich herausgefordert hatte.
Ein Schweißtropfen rann zwischen meinen Schulterblättern hinab. Da dieser Tag womöglich mein letzter war, hatte ich meine besten Kleider angelegt. Das untere aus dunkelbraunem Samt mit gefälteltem Mieder und weitem Rock schleifte ein wenig auf dem Boden und wog schwer auf meinen Schultern. Dagegen gemahnte mich das weite blassgelbe Überkleid, das ich lose unter dem Busen zusammenstecken musste, daran, wie viel Gewicht ich seit dem Tod meines Vaters verloren hatte.
Im Gegensatz zu mir bot Roberto Borgia in weitem Hemd und bequemer Hose, die er mit Vorliebe zu Hause trug, ein Bild des Wohlbehagens. Offenbar hatte man ihm den Tod des Spaniers völlig überraschend gemeldet.
Ich nickte.
»So ist es, Eminenz. Francesca Giordano, Eure Dienerin.«
Der Kardinal lief einige Male nervös im Zimmer auf und ab. Dann starrte er mich an, und ich wusste genau, was er sah: eine schlanke Frau von kaum zwanzig Jahren und etwas unscheinbarem Äußeren – bis auf die großen dunkelbraunen Augen, das rote Haar und – dank meiner Ängste – einer ausgeprägten Blässe.
Er deutete auf den Spanier, der in der unerträglichen Hitze des Tages bereits zu stinken begann.
» Was wisst Ihr darüber?«
»Ich habe ihn getötet.«
Trotz der dämpfenden Wandteppiche klang meine Stimme selbst in meinen Ohren ungewöhnlich scharf. Mit ungläubigem und erschrecktem Staunen trat der Kardinal nahe an mich heran.
» Ihr habt ihn getötet?«
Ich hatte meine Antwort sorgfältig vorbereitet, um mein Handeln zu erklären, ohne dass ich meine wahre Absicht enthüllen musste. Doch plötzlich fürchtete ich, dass ich es verderben könnte.
»Ich bin die Tochter meines Vaters und habe sehr viel von ihm gelernt. Trotzdem habt Ihr, als er getötet wurde, nie daran gedacht, mich mit seinem
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