Die Tote im Keller - Roman
sichtbar mit. Irene hatte den Eindruck, dass ihn das Bild des Menschen, der gegen die Windschutzscheibe geschleudert worden war, verfolgte. Das Geräusch der splitternden Scheibe würde er noch in seinen Träumen hören. Er hatte sicher versucht, die Bilder zu verdrängen, aber sie hatten sich auf immer in sein Gedächtnis eingebrannt.
»Es ist doch ganz offenbar, dass der Streifenwagen die Jungs zu dieser hohen Geschwindigkeit provozierte. Sie hatten natürlich das Gefühl, gejagt zu werden. Das werden wir bei unserer Verteidigung auch unterstreichen«, meinte Michaela Lackbergh kühl.
Da öffnete Jonny zum ersten Mal bei diesem Verhör den Mund:
»Haben Sie eigentlich einen Führerschein, Niklas?«
Alle im Zimmer wussten, dass die Antwort auf diese Frage nein lautete. Irene verfluchte ihren taktlosen Kollegen, der über das Fingerspitzengefühl einer Dampfwalze verfügte. Niklas zog es vor zu schweigen.
»Und Wodka hatten Sie ebenfalls konsumiert«, meinte Jonny vergnügt.
»Das hat Niklas nicht gesagt! Davon wissen Sie nichts!«, wies ihn Michaela Lackbergh zurecht.
Jonny zog erstaunt eine Braue hoch. Es war nicht ganz klar, ob es daran lag, dass man seine Feststellung in Zweifel zog, oder ob er sich darüber wunderte, dass das kleine Kätzchen fauchte.
»Er hat gerade eben erzählt, dass er und sein netter Kumpel Billy eine Flasche Absolut Vodk …«
»Er hat nicht gesagt, dass er während der Fahrt getrunken hätte!«, fiel ihm die Anwältin ins Wort.
»Ich dachte, ich hätte so was gehört«, beharrte Jonny.
»Hör schon auf! Das ist für uns nicht von Belang. Wir wollen, dass Niklas uns dabei hilft, den Mord an Tanja aufzuklären«, sagte Irene scharf und sah Jonny finster an.
Dieser machte ein böses Gesicht und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
»Niklas, Sie wissen so gut wie ich, dass es uns nicht weiter interessiert, ob Sie ohne Führerschein gefahren sind. Egal! Darum sollen sich die anderen kümmern. Wir jagen einen Mörder. Und Sie haben uns dabei geholfen, ihm näherzukommen. Ich will, dass Sie wissen, dass ich Ihren Willen, uns alles genauso zu erzählen, wie es sich zugetragen hat, zu schätzen weiß. Das wird man Ihnen zugute halten«, sagte Irene mit Nachdruck und warf Jonny einen weiteren scharfen Blick zu.
Dieses Mal war er so weise, den Mund zu halten.
»Erzählen Sie uns, was geschah, nachdem Sie den Läufer angefahren hatten«, sagte sie.
»Man konnte auf einmal nichts mehr sehen … die ganze Windschutzscheibe war gesplittert! Wir bekamen Panik! Ich raste weiter, und Billy sagte mir, wie ich fahren soll. Er hing aus dem Seitenfenster! Wir bogen die erste Querstraße ab und fuhren den Berg hoch … aber ich sagte, dass ich so nicht fahren kann … ich kam dauernd fast von der Straße ab … und da entdeckte er diese kleine Abzweigung … da bogen wir dann ein … den Rest wissen Sie.«
Er verstummte und schnäuzte sich noch einmal gründlich.
»Sie stiegen also aus dem BMW, gossen Wodka auf die Sitze und zündeten ihn an. Hatten Sie da bereits das andere Auto entdeckt und gesehen, dass der Zündschlüssel steckt?«
»Klar. Es war wirklich nicht zu fassen! Da stand eine zweite Karre mit steckendem Schlüssel. Am selben Abend!«
»Es vergingen also nur wenige Minuten, bis Sie den kleinen
Seitenweg und den brennenden BMW zurückließen«, stellte Irene fest.
Niklas nickte.
Irene schaltete das Tonband aus und sah ihre Kollegen an, die um den Konferenztisch herumsaßen. Der Kommissar blickte ebenso grüblerisch drein wie Tommy, Fredrik und Jonny. Hannu saß entspannt zurückgelehnt, aber die müden Falten um seine Augen sprachen Bände. Wann hast du zuletzt eine ganze Nacht geschlafen?, dachte Irene und empfand Mitleid mit ihm. Sie war nach allen aufwühlenden Ereignissen der letzten Woche ebenfalls müde, aber das Verhör von Niklas Ström hatte sie wieder munter gemacht.
»Er hat die Wahrheit gesagt. Wir wissen jetzt sicher, dass das Auto von Torleif Sandberg vor 20.30 Uhr auf diesem Seitenweg geparkt worden war. Dafür haben wir Zeugen, Martin Wallström und seine Geliebte Marika Lager. Und wir wissen, dass der weiße Opel noch dort stand, als Billy und Niklas gegen zwanzig vor zehn dort einbogen.«
»Kruska-Toto wurde um 21.35 Uhr angefahren. Was zum Teufel hatte er über eine Stunde lang im Wald zu suchen? Ohne Mütze und in so dünnen Klamotten, dass er sich Erfrierungen zuzog!«, meinte Jonny erstaunt.
»Ist es nicht seltsam, dass der Wagen
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